In dem Text des Abkommens, den die EU-Kommission im August vergangenen Jahres veröffentlichte, heißt es, man habe sich auf ACTA verständigt, weil eine "wirksame Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums" für "dauerhaftes Wachstum" der Weltwirtschaft von "entscheidender Bedeutung" sei. Die "beträchtlichen finanziellen Verluste" durch die Verbreitung nachgeahmter und unerlaubt hergestellter Waren beziffert die Brüsseler Behörde mit rund acht Milliarden Euro jährlich.

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Zwar haben 21 EU-Staaten, darunter Österreich, das umstrittene Anti-Piraterie-Abkommen ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement) bereits im Jänner unterschrieben. Aber aufgrund heftiger Proteste kommt jetzt der Katzenjammer, und eine Reihe von Staaten überlegen, ob sie das Abkommen nicht besser ad acta legen sollen - der WebStandard berichtete.

Proteste in .at

Der Stopp der Ratifizierung von ACTA durch Deutschland, Polen, Tschechien, Lettland und die Slowakei beschwingt den heimischen Widerstand. Am Samstag wollen Netzaktivisten gegen das Abkommen auf die Straße gehen. Gleich sechs Demonstrationen sind in Österreich geplant. Zentrale Anlaufstelle für die Proteste ist die Website www.stoppt-acta.at.

Ergänzend wird auch in zahlreichen anderen europäischen Städten der Protest auf die Straße getragen.

Verschärfung des Urheberrechts

Das auf Initiative der USA und Japans nach mehrjährigen Verhandlungen 2011 fertiggestellte Abkommen sieht unter anderem vor, dass Internet-Anbieter für Urheberrechtsverletzungen von Kunden haftbar gemacht werden können. Kritiker sehen daher ACTA in einer Reihe mit Bestrebungen zur Verschärfung des Urheberrechts.

"Akt der Lobbyisten der Unterhaltungsindustrie"

"ACTA steht für den Anfang vom Ende des freien Internets", kritisierte Markus Stoff von der Initiative Netzfreiheit bei einem Pressegespräch in Wien. Gemeinsam mit Marco Schreuder von den Grünen und dem Europaabgeordneten Martin Ehrenhauser bemängelte er unter anderem, dass das Abkommen "schwammig" formuliert sei und damit weitreichende Eingriffe in die Privatsphäre von Bürgern ermöglicht. ACTA sei ein "Akt der Lobbyisten der Unterhaltungsindustrie", der untaugliche Gesetze aus dem letzten Jahrhundert in die Gegenwart bringt.

Schreuder kritisierte, dass der Pakt "hinter verschlossenen Türen" ausgehandelt wurde. Niemand wisse genau, worum es in dem Dokument eigentlich gehe, die Formulierungen "lassen viel Interpretationsspielraum zu". Ein Grund für diese Unklarheit ist für Schreuder die Intransparenz der Verhandlungen über ACTA, "die allein schon Grund genug für eine Ablehnung" sei. Auch nach den zahlreichen Protesten gebe es immer noch keinen Einblick in offizielle Verhandlungsdokumente.

Gute Seiten

Schreuder konnte dem Abkommen jedoch auch "gute Seiten" abgewinnen: "Medikamentenfälscherei ist gefährlich und muss auf jeden Fall kontrolliert und bestraft werden." Trotzdem sei es nicht korrekt, die Fälschung von Medikamenten "in den gleichen Topf wie Urheberrechtsdelikte zu werfen", wie es im Falle des Abkommens passiere.

Schreuder hofft daher darauf, dass ACTA abgelehnt, aber auch als "neue Chance genützt wird". Denn es sei wichtig, Diskussionen zur Netzpolitik zu führen und neue Rechte zu beschließen, aber "gemeinsam mit allen Interessengruppen, also auch Künstlern und Konsumenten", so der grüne Bundesrat.

EU-Parlament

Das EU-Parlament muss dem Abkommen noch zustimmen, bevor es gültig wird. Für den fraktionsfreien EU-Abgeordnete Martin Ehrenhauser ist eine "Mehrheit gegen ACTA greifbar. Das Zünglein an der Waage sind derzeit die unentschlossenen Liberalen." Linke und Grünen "haben sich eindeutig gegen das Abkommen ausgesprochen". Auch die Sozialdemokraten werden mit hoher Wahrscheinlichkeit dagegen stimmen, so der EU-Politiker. Er betonte, dass sich viele der EU-Abgeordneten noch keine Meinung zum Abkommen gebildet hätten, da der genaue Inhalt vielen nicht klar sei.

Die "unklaren Formulierungen" von ACTA würden es auch schwierig machen, konkrete Beispiele über die Folgen der Unterzeichnung zu nennen. Klar sei jedoch, dass ACTA nicht die Interessen der Internetnutzer vertrete: Im ganzen Abkommen komme nur einmal das Wort "Nutzer" vor, das Wort "Verbraucher" gar nie, "Rechtsinhaber" (die Unternehmen, Anm.) komme dagegen etwa 40-mal vor.

Der EU-Parlamentsausschuss für Internationale Handelsfragen hält einen ersten Austausch zu dem Thema am 29. Februar, am 1. März wird es eine Anhörung dazu geben.

Offene Fragen

Auch der ÖVP-Delegationsleiter und Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Othmar Karas, sprach am Freitag in Brüssel noch von "sehr vielen offenen Fragen" und "widersprüchlichen Expertenmeinungen", die es zu ACTA gebe. Man müsse jedenfalls die "demokratiepolitischen Gefährdungen beachten", denn die "Fragezeichen nehmen zu und werden immer weniger beantwortet", so Karas. (sum/APA)