
Den Preis für das romantischste, heimeligste oder hübscheste Haus wird dieses neue Gebäude in der Mühlgrundgasse 3 im 22. Wiener Gemeindebezirk wohl nicht bekommen. Gerade von der daneben vorbeifahrenden U-Bahn aus gesehen erinnert es eher an einen Bunker oder eine kalte Lagerhalle. Warum wird es den Bewohnern trotzdem ein jedes Mal warm, wenn sie "ihr" Haus betreten? Ein Hinweis darauf ist in den zwei kleinen Lüftungsschlitzen versteckt, die links im Bild zu sehen sind.

Dahinter verbirgt sich nämlich eine Passiv-Heizung, die es ermöglicht, dass trotz Außentemperaturen von minus zehn Grad im Inneren eine wohlige Temperatur herrscht - und das ohne einen einzigen Heizkörper. Im Haus werden 80 Prozent der Wärme der Abluft in einem zentralen Lüftungsgerät über einen Wärmetauscher wiedergewonnen und den 54 Wohnungen wieder zugeführt. So entsteht ein permanenter Luftwechsel, der nebenbei auch noch für Frischluft ohne Lüften sorgt.

Blickt man hinter die schwarze Fassade zur U-Bahn, zeigt sich eines der Highlights des Projekts: ein vertikaler Garten, der sich über vier Stockwerke zieht und einen Puffer bildet, der den fehlenden Grünraum zur U-Bahn auszugleichen versucht. Unweigerlich fühlt man sich fast wie in einem Raumschiff.

"Die zackige Fassade entstand aus dem Bedürfnis, möglichst viel Licht für die Pflanzen und Bewohner einzufangen", erklärt Architekt Richard Manahl, der zusammen mit Bettina Götz von ARTEC für die BUWOG dieses Gebäude realisierte. Große Fenster, die von der Wohnung in dieses Stiegenhaus schauen, sollen weiters den offenen Charakter des Raums fortführen. In der Praxis haben allerdings viele Mieter hier die Fenster mit Vorhängen zugemacht und so für Privatsphäre gesorgt.

Das Wasser für die über 1.000 Pflanzen kommt aus der eigens angelegten, 7.500 Liter großen Regenwasserzisterne im Garten. Sie versorgt auch die Pflanzen am Dachgarten.

Ein ganz anderes Bild zeigt die südliche Seite, die von Balkonen und Fenstern geprägt ist. Der Rauchfang im Bild links dient übrigens nur zur Entlüftung der CO-Anlage und des Müllraums. Das Gebäude selbst besitzt keinen Kamin und auch keine Notkamine, da diese in einem Passivhaus nicht benötigt werden.

Ausblick und Einblick: Die U-Bahn hat auch hier für Impulse gesorgt - neben dem Passivhaus wurde eine weitere, flachere Wohnhausanlage in der Mühlgrundgasse gebaut.

Noch ist der Dachgarten nicht sehr grün, aber schon bald sollen hier die ersten Sträucher und Pflanzen im Frühling zu blühen beginnen. Die Dachterrasse ist schon jetzt ein Treffpunkt für die Bewohner.

Von der Dachterrasse aus hat man auch einen guten Blick auf Wiens Skyline und kann neben der UNO-City den Millennium Tower sowie die Gebäude der Donaucity sehen. Im Bild links übrigens die Baustelle des DC Tower 1, der demnächst eine Höhe von 230 Metern erreichen und somit Österreichs größtes Hochhaus sein wird.

Ebenfalls am Dach befindet sich ein Ballspielplatz für Kinder.

Erwachsenen steht im Keller ein etwa 100 Quadratmeter großer Gemeinschaftsraum zur Verfügung. Ebenfalls in dieser Sockelzone sind Wirtschaftsräume untergebracht. In einen davon ist bereits ein Antiquariat eingezogen.

Neben Wohnungen und Maisonetten ist im Erdgeschoß auch eine betreute Senioren-Wohngemeinschaft mit acht Bewohnerzimmern geplant. Zusätzlich zu dem großen Gemeinschaftsbalkon ist vor allem der Park, der direkt neben dem Grundstück liegt, ein großer Pluspunkt.

Da besonders im Sommer die Sonneneinstrahlung an der Südseite sehr groß sein wird, wurde hier ein eigener Sonnenschutz entwickelt. Die gelben Paneele haben an beiden Enden einen Reißverschluss, der bei Bedarf geöffnet werden kann. So lassen sich die Paneele auffächern.

Welche Kosteneinsparungen bringt das Passivhaus für die Bewohner? Je nach Nutzerverhalten können etwa zwei Drittel der Heizkosten gespart werden. Da die Lüftungsanlage Energie benötigt, kommen im Vergleich zu einem herkömmlichen Gebäude rund die Hälfte der Ausgaben heraus.

Zwar ist das Gebäude nicht das erste Passivhaus in Wien, jedoch eines der größten bisher gebauten. Es wurde mit dem BauXund-Gütesiegel sowie dem IBO-Ökopass mit Bestnoten bewertet.

Die Nähe zur U-Bahn ist gewiss Fluch und Segen zugleich. Die architektonische Lösung, sie durch eine "Schutzhülle" abzublocken, ist eine gewagte, aber sinnvolle: außen hart und innen weich.
(Fotos und Text: Michael Hierner / www.hierner.info, derStandard.at, 13.2.2011)