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Algier, 6. Februar 2012: ohne Winterreifen kein Durchkommen

Foto: epa

Die Kältewelle hat auch Nordafrika erreicht. Wo sonst milde Temperaturen auch die Wintermonate bestimmen, sanken die Thermometer auf deutlich unter Null Grad. Es schneit. 30 bis 40 Zentimeter hoch liegt der Schnee im Landesinneren von Tunesien und auch in großen Teilen des algerischen Nordens. Es ist die schlimmste Kältewelle seit 1954.

In Algerien zählt der Zivilschutz 44 Tote. 30 davon bei Verkehrsunfällen, die Schnee und Eis zugeschrieben werden und 14 weitere Todesfälle durch Kohlenmonoxidvergiftung als Folge schlechter Heizungsinstallationen. In Tunesien sind mindestens sechs Menschen ums Leben gekommen. Vier davon durch unter der Schneelast zusammengebrochenen Dächern. Die Zahlen können sich durchaus noch erhöhen, denn unzählige Dörfer sind komplett von der Außenwelt abgeschnitten. In Algeriens Norden sind 80 Prozent des Straßennetzes gesperrt.

"Es fehlt nur, dass sie ein Schild aufstellen: 'Ende der Welt'" beschwert sich die algerische Tageszeitung Liberté über die Untätigkeit der Regierung. "Wo bleibt ein Programm für Notfälle?" fragt die Tageszeitung El Khabar. Tausende algerische Haushalte haben seit Tagen keinen Strom mehr. Die Überlandleitungen sind unter der Schneelast zusammengebrochen. Bäckereien schließen, da sie keine Mehllieferungen mehr erhalten. Das Angebot in den Lebensmittelgeschäften wird immer dürftiger und vor allem teurer. Und die Butangasflaschen, mit denen die meisten Algerier heizen, kosten mittlerweile umgerechnet 5 Euro das ist mehr als das doppelte des üblichen Preises.

Auch in Tunesien sieht es im Landesinneren nicht viel besser aus. Auch dort sind Straßen dicht und Stromleitungen gekappt. Der wichtigste Unterschied zum Nachbarland Algerien ist die Zivilgesellschaft. Aus den Monaten nach der Revolution im Januar 2011 sind die Menschen daran gewöhnt, sich selbst zu helfen. Parteien und Verbände aber auch private Initiativen in den reicheren Küstenstädten organisieren Hilfskonvois und versuchen ins Landesinnere durchzukommen.

Eine Entspannung der Lage ist erst einmal nicht in Sicht. Für das Wochenende wird ein erneuter Kälteeinbruch vorhergesagt. Der einzige Trost, die Temperaturen werden nur noch in Höhenlagen unter null Grad fallen. Damit wird es wohl in den meisten Dörfern zumindest nicht schneien. (derStandard.at/10.2.2012)