Sarajevo - Das gesamtstaatliche bosnische Abgeordnetenhaus hat am Freitag die neue Regierung unter Ministerpräsident Vjekoslav Bevanda ins Amt eingesetzt. Der 55-jährige Finanzexperte Bevanda ist der erste Kroate als gesamtstaatlicher Premier seit Ende des Bosnien-Krieges 1995. Die Ministerposten in der Regierung wurden nicht nur nach Parteizugehörigkeit, sondern auch nach ethnischer Herkunft aufgeteilt. 15 Monate nach der Parlamentswahl im Oktober 2010 hat Bosnien damit ein neue Regierung.

Das Neun-Minister-Kabinett wurde mit 26 Stimmen gewählt, sieben Abgeordnete stimmten gegen Bevandas Team, ein Mandatar enthielt sich der Stimme. An der Regierungskoalition sind neben den multiethnischen Sozialdemokratischen Demokraten (SDP) und der bosniakischen (muslimischen) SDA (Partei der Demokratischen Aktion) der im serbischen Landesteil regierende SNSD (Bund Unabhängige Sozialdemokraten) und die SDS (Serbische Demokratische Partei ) sowie die zwei führenden Parteien der kroatischen Volksgruppe, Bevandas HDZ und die HDZ1990.

Ethnischer Schlüssel

Mit SDP-Chef Zlatko Lagumdzija steht ein Muslim an der Spitze des Außenministeriums. Bosniaken werden auch noch für die Ressorts Sicherheit, Verkehr und Verteidigung zuständig sein. Der serbischen Volksgruppe sind die Ministerien für Handel, Finanzen und Zivilangelegenheiten zugefallen. Die kroatische Volksgruppe bekam das Justizministerium und das Ministerium für Menschenrechte. Nach ethnischem Schlüssel wurden auch die Posten der stellvertretenden Minister verteilt.

Der Regierungsbildung war eine monatelange politische Krise vorausgegangen, die die EU-Annäherungsbestrebungen Bosniens zum Stillstand brachte. Erst im Dezember gelang der Durchbruch durch eine Einigung der sechs nunmehrigen Koalitionsparteien. Bevanda wurde daraufhin Mitte Jänner zum Regierungschef gewählt. In seiner Rede am Freitag nannte er den EU-Annäherungsprozess und die Belebung der Wirtschaft als Prioritäten seiner Regierung.

Durch das Dayton-Friedensabkommen wurde Bosnien-Herzegowina Ende 1995 als komplexes Staatswesen auf die Beine gestellt. Es besteht aus zwei Landesteilen (Entitäten) - der Bosniakisch-Kroatische Föderation und der Serbischen Republik - und hat drei Staatsvölker - Bosniaken, Serben und Kroaten. An der Spitze steht ein dreiköpfiges Staatspräsidium. Schon oft haben sich die Fraktionen bei Reformen gegenseitig blockiert. Über der bosnischen Politik steht der mit weitreichenden Vollmachten ausgestattete Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft, derzeit der österreichische Diplomat Valentin Inzko. (APA)