Athen – Am Sonntag zu später Stunde war es soweit: Das griechische Parlament hat dem umfassenden Sparprogramm zugestimmt, das entscheidend auf dem Weg zu neuen Hilfsgeldern ist. Bis 2015 will die Regierung in Athen rund 14 Milliarden Euro sparen, heuer sollen es 3,3 Milliarden Euro sein.
Sozialisten und Konservative hatten sich von Beginn an für das Sparpaket ausgesprochen, sie verfügten über eine klare Mehrheit von 236 Sitzen im Parlament. Bei der Abstimmung gab es trotz drastischer Apelle der Parteichefs etliche Abweichler: 199 Abgeordnete sprachen sich für das Sparprogramm aus – darunter auch einige unabhängige. 74 Abgeordnete stimmten dagegen – Vertreter der Linken und der Kommunisten, sowie 43 Mitglieder der Regierungsparteien. Die Abweichler wurden – wo vor dem Votum angedroht – umgehend aus der Koalition verabschiedet. Fünf Parlamentarier enthielten sich ihrer Stimmen, 22 waren nicht erschienen.
Dramatische Lage in Athen
Die Situation in Athen hat sich am Sonntag rund um das Votum dramatisch zugespitzt. Cafés, Geschäfte, Banken und historische Kinos standen in Flammen, vermummte Randalierer warfen im Zentrum der Hauptstadt selbst gebaute Brandsätze.
Dem staatlichen Fernsehen zufolge griff die Gewalt auch auf die Inseln Korfu und Kreta über. In der Hauptstadt wurden Geschäfte geplündert. Es waren die schlimmsten Unruhen seit 2008, als Griechenland nach tödlichen Polizeischüssen auf einen 15-jährigen Schüler in wochenlangen Turbulenzen versank. Ministerpräsident Lukas Papademos sagte, Vandalismus und Zerstörung hätten in einer Demokratie keinen Platz und würden nicht toleriert.
In Athen setzte die Polizei in den stundenlangen Auseinandersetzungen Blendgranaten ein. Flammen schlugen unter anderem aus dem 1870 erbauten Attikon-Kino sowie einem Lichtspielhaus, in dem die Gestapo während des Zweiten Weltkriegs politische Gegner gefoltert hatte. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurden 54 Menschen in Krankenhäusern versorgt, mindestens acht Polizisten erlitten Verletzungen. Verängstigte Griechen und Touristen flohen durch die mit Tränengas durchsetzten Straßen und suchten Schutz in den Eingangshallen von Hotels. In den Nachthimmel stieg schwarzer Rauch auf.
Papademos fordert Verzicht
Über die Sparmaßnahmen im Detail soll es binnen zwei Wochen noch ein gesondertes Votum geben. Premier Papademos rief seine Landsleute vor der Parlamentsabstimmung zu weiterem Verzicht auf. Das Sparprogramm beinhalte Regelungen, die die Griechen "viel früher hätten selbst treffen müssen". Die Maßnahmen seien aber sehr hart und bedeuteten "schmerzhafte Opfergaben". Eine Staatspleite würde zu einem ökonomischen Kollaps und einer sozialen Katastrophe aus Arbeitslosigkeit und Armut führen, warnte er in einer Fernseh-Ansprache: "Wir sind nur einen Atemzug von Ground Zero entfernt."
Griechenland ist dringend auf weitere Finanzhilfen angewiesen, weil es sonst schon im März zahlungsunfähig würde. Unter anderem sollen bis 2015 rund 150.000 Staatsdiener entlassen werden und der Mindestlohn von 751 auf 568 Euro sinken. Außerdem soll Staatsbesitz verkauft werden.
Umfangreiche Proteste
Die griechischen Gewerkschaften legten schon am Samstag und am Sonntag mit umfangreichen Streiks das öffentliche Leben weitgehend lahm. Betroffen waren vor allem Verkehrsmittel – Bus- und Bahnfahrer streikten wie schon am Vortag. Fähren zu den Inseln der Ägäis blieben im Hafen.
Mitglieder der Kommunistischen Partei (KKE) hängten auf der Akropolis, dem Wahrzeichen Athens, ein großes Transparent mit dem Spruch "Nieder mit der Diktatur der Monopole der EU!" auf. Das Land hängt seit fast zwei Jahren am Tropf seiner Geldgeber IWF und EU. Neben dem Parlamentsbeschluss ist eine weitere Voraussetzung für Anschlusshilfen ein Forderungsverzicht der privaten Gläubiger Griechenlands. Sie sollen dem Land 100 Milliarden Euro erlassen, um seine Schuldentragfähigkeit zu verbessern. Nach Angaben von EU-Währungskommissar Olli Rehn ist die Vereinbarung fertig; sie soll aber erst im Gesamtpaket verabschiedet werden. (Reuters/red, derStandard.at, 13.2.2012)