Buchcover: Verlag NZZ

Wien - Schon als Siebenjähriger war Gottfried Schatz auf der Spur des Feuers - mit dem Arm tief in einem Misthaufen suchte er nach dem Grund für die Wärme des Dungs. Zeit seines Lebens blieb der heute 75-jährige aus Österreich stammende Biochemiker ein "Feuersucher". Und so nannte er auch sein neues Buch, in dem er die "Jagd nach dem Geheimnis der Lebensenergie" beschreibt, an der er maßgeblich mitgewirkt hat. Schatz zeichnet darin aber auch ein Porträt der wissenschaftlichen Nachkriegsgeneration in Europa und den USA sowie der wissenschaftlichen Lähmung in Österreich in dieser Zeit.

Die chemischen Vorgänge in lebenden Zellen hatten den am 18. August 1936 in Strem (Burgenland) geborenen Schatz schon als Gymnasiast in ihren Bann gezogen. Doch seine Lehrer wussten darüber nichts und in der "geistigen Provinz" Graz, wo er sein Chemie-Studium absolvierte, gab es dafür weder Professoren noch Vorlesungen. So eignete sich Schatz das notwendige Wissen aus Publikationen an, die er sich per Postkarten aus Graz bei US-Wissenschaftern erbettelte.

Daraus erfuhr er "mit Staunen, wie in jeder Zelle meines Körpers Hunderte von winzigen Mitochondrien meine Nahrung verbrennen, ohne dabei Feuer oder Rauch zu entwickeln". An dem Geheimnis, wie die Kraftwerke der Zellen das zuwege brachten, arbeitete Schatz Zeit seines Lebens, genauso wie zahlreiche große Biochemiker, die der Wissenschafter in seinem Buch lebendig werden lässt.

Die "kleine Oase in der Universitätswüste"

Nach seiner Promotion sub auspiciis 1961 in Graz ging Schatz zu Hans Tuppy an die Uni Wien. Tuppy sei "einer der ersten jungen österreichischen Feuersucher" und bewundertes Vorbild gewesen. "Seine Forschungsgruppe war eine kleine Oase in der österreichischen Universitätswüste", erinnert sich Schatz an das Österreich der Nachkriegszeit - für ihn "ein verstocktes geistiges Abseits ohne politische Reife, Ehrlichkeit und Weltoffenheit", während die Unis "in dumpfer Nabelschau vor sich hin dämmerten".

In dieser Atmosphäre gelang es der als "Tuppys arrogante Mafia" etikettierten Forschungsgruppe, die DNA der Mitochondrien zu entdecken. Einer nach dem anderen aus dieser Truppe ging als Postdoc in die USA - auch Schatz, der zu dem aus Wien vertriebenen Efraim Racker nach New York wechselte. "Es war der Beginn eines Wanderlebens, das meine Frau und mich für immer zu Heimatlosen machte und Teil des Tributs war, den viele Wissenschafter meiner Generation entrichten mussten, um das nötige Wissen zu erwerben und es nach Europa zurückzuholen." Lebhaft und eindringlich schildert Schatz Höhen und Tiefen eines Forscherlebens, Wettrennen, erfolglose Jahre, Rückschläge, wissenschaftlichen Betrug, kleinere und größere Fortschritte.

Kritische Distanz zu den Unis

1967 kehrte Schatz wieder zurück nach Österreich, aber nur kurz. Denn Österreichs Unis "nagten wie eh und je am Hungertuch" und in Deutschland hätte man beim Ausbau der Unis "die Qualität vergessen". Worte wie Qualität, Auslese und Elite seien tabu gewesen, die österreichischen und deutschen Unis hätten sich an seiner Generation "gleich zweimal versündigt: Mit dem Rassenwahn des Dritten Reiches und dem Nivellierungswahn der Nachkriegszeit". Nach wie vor hat Schatz eine kritische Distanz zu den Unis: Diese sollten seiner Meinung nach "Quellen der Neuerung sein, zählen jedoch heute zu den konservativsten Institutionen unserer Gesellschaft".

So kehrte Schatz seiner Heimat nach wenigen Monaten wieder den Rücken und ging zurück in die USA, um als Professor für Biochemie an der Cornell University in Ithaca (US-Bundesstaat New York) tätig zu werden. 1974 lockte ihn dann doch die Universität Basel mit dem neugegründeten Biozentrum zurück nach Europa - eine Einrichtung, die er zeitweilig auch leitete. Doch zunehmend störte ihn "die ausufernde politische und bürokratische Steuerung der Forschung; die verkrusteten Hierarchien an unseren Universitäten; Europas irrationale Angst vor Neuem; sein Misstrauen gegenüber Naturwissenschaft und sein Unvermögen, soziale Gerechtigkeit mit gezielter Förderung der Besten in Einklang zu bringen". Befunde, die ihn wohl mit bewogen, im Jahr 2000 vorzeitig von seiner Professur zurückzutreten und vier Jahre lang Präsident des Schweizerischen Wissenschafts- und Technologierats zu werden. (APA)