Sarah Spiekermann ist Professorin an der Wirtschaftsuniversität Wien, wo sie dem Institut für BWL und Wirtschaftsinformatik vorsteht. Seit über 10 Jahren lehrt und forscht sie zu sozialen Fragen der Internetökonomie und Technikgestaltung.

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In meinem ersten Blog habe ich beschrieben, warum ich über die ethische Maschine blogge. Aber vielleicht ist schon aufgefallen, dass es so etwas wie eine ethische Maschine gar nicht geben kann. Eine Maschine kann nicht "ethisch" sein, weil ethisch zu sein keine Eigenschaft ist. Das Ganze ist nur ein Wortspiel. Ein Wortspiel, um eine ungemein tief sitzende Triebkraft der Tech- und Hackerszene zu beschreiben, die da immer hieß: "Wir sind die Guten". Viele Hacker (wie auch die Leute von Anonymous) handeln sicherlich im Glauben daran, dass sie zu den Guten gehören (oder?). Viviane Reding, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Lawrence Lessig und Kader Arif (ACTA : „une mascarade à laquelle je ne participerai pas...") sind Stars unter den Guten (persönliche Meinung). Viele von uns haben geglaubt, dass Apple zu den Guten gehört (und haben möglicherweise verwechselt, dass Schönes noch nicht automatisch gut ist, ...alte menschliche Falle...). Google dreht die Sache des Guten um und schwört die eigenen Leute auf "Don't be evil!" ein (mindestens das). Und Microsoft war wahrscheinlich immer viel zu ehrlich, weil es nie behauptet hat, gut zu sein. Aber was heißt das eigentlich: Wir sind die Guten?

"Code is Law"

Irgendwann mag ich meine Meinung ändern, aber hier und jetzt denke ich, dass man in der Tech-Welt in die heiligen Hallen der Guten eigentlich nur dann aufsteigen darf, wenn man nicht nur blind "coded", um die Dinge ans laufen zu kriegen, sondern sich echt bemüht, Gutes in den Code einzubauen, denn "Code is Law" (didn't you know?). Bemüht aber auch um die Finanzierung von Maschinen, die im Einklang mit den moralischen Vorstellungen und Normen arbeiten, auf denen unsere Gesellschaft aufgebaut ist, z.B. Freiheit (von Meinungen, Ideen und Handlungen), Menschenwürde (zum Nacktscanner komme ich nächste Woche...), Respekt für Privatsphäre und Datenschutz, Unvoreingenommenheit, Verantwortung, Höflichkeit, Ruhe, Umweltfreundlichkeit und - ganz wichtig aus meiner Sicht - finale menschliche Kontrolle über die Maschinen.

Nicht ihr Problem

Aber kümmert das die Ingenieure von heute? Eine beeindruckende Studie von Kollegen (Marc Langheinrich und Saadi Lahlou) hat dazu einen ziemlich erschreckenden Gegenbeweis geliefert, der mir aber in der Gadget-verliebten, quick-business getriebenen Tech-Welt überall begegnet: Als Ingenieure von ihnen zum Thema Datenschutz interviewt wurden und ob sie diesen beim Bau ihrer Prototypen irgendwie berücksichtigen würden, antworteten diese durchgängig, dass dies nicht ihr Problem sei, ein zu abstraktes Problem, kein unmittelbares Problem, grundsätzlich kein Problem (weil man ja Firewalls und sonstige Cryptolösungen habe), schon gar nicht Ihr Problem (weil sich schon Politiker, Anwälte und die Gesellschaft an sich darum kümmere) oder schlichtweg nicht Teil ihrer Projektvorgaben. Wow, ich hoffe ja nur die Kollegen haben da nicht "die Guten" interviewt.... (derStandard.at, 16.2.2012)

English Version

Hacker, Apple, Google - who are are the good guys?