Finstere Passagiere bringt der Höllenzug: Anson Mount (rechts) und Chris Large, Helden der Westernserie "Hell on Wheels".

Foto: AMC

Nicht immer ist der Beichtstuhl ein Ort der Reue und Vergebung. Dem armen Sünder, der sich dem falschen Priester anvertraut, bleibt sie versagt. Nur einer der beiden verlässt den Ort des Glaubens. Es riecht nach Friedhof!

Ein wahrer Höllenzug mit finsteren Passagieren schneidet in Hell on Wheels durchs Land. Der ehemalige Sklavenhalter Cullen Bohannon (Anson Mount) kämpfte im Sezessionskrieg für die Konföderierten und sucht die Mörder seiner Frau in der heruntergekommenen Eisenbahnersiedlung. Gnade ist nicht vorgesehen, und so pflastern recht schnell Leichen den Weg des Rächers.

Blut fließt in Strömen

Keine zwei Minuten dauert es in der ersten Folge, bis in Hell On Wheels Blut in Großaufnahme fließt. Die Lachen des grimmigen Sklavenhalters lösten in den USA prompt eine Debatte über Gewalt in Fernsehserien aus. Denn offene Kehlen, aus denen roter Saft herausblubbert, sind noch die harmlosesten Wunden in Breaking Bad. In der Fantasysaga Game of Thrones sind sämtliche Beteiligte gewohnt, ordentlich zuzupacken. Die Diskussion verlief im Sand, vermutlich weil derlei Moralunterricht eher das unmittelbare Interesse am Spektakel als an der Reflexion hervorruft.

Natürlich käme auch Hell On Wheels ohne Brutaloszenen aus, geht es doch wie in jeder guten TV-Serie des neuen Fernsehzeitalters um die Darstellung von Brüchen, Einschnitten und substanziellen Veränderungen in Lebenswelten: Mad Men thematisiert den Übergang von den spießigen Fifties zur freizügigeren Kultur der Sechzigerjahre, in der speziell die Männerwelt ihre Lektionen in Kapitalismus und Frauenemanzipation erfährt. Das Zeitalter der Prohibition und die Generierung von Kriminalität ins Alltagsbewusstsein führt Boardwalk Empire vor. In Breaking Bad bringt der drogendealende Chemieprofessor Walter White die Schnittmenge zwischen kleinbürgerlicher Existenz und brutaler Drogenrealität zum Vorschein. Wahre Blutorgien feiern Serienkiller in Dexter, Vampire in True Blood und Zombies in The Walking Dead, wenn auch in überzeichneter Tradition Splattermovies verpflichtet.

"Bonanza"-Charme fehlt

Die voranschreitende Industrialisierung mit dem Eisenbahnbau in Hells on Wheels markiert das endgültige Ende einer von Ackerbau und Viehzucht geprägten Gesellschaft. Vor dem Hintergrund des schändlichen Landraubs durch die Siedler und der Sklavenbefreiung öffnet sich ein weiterer, folgenschwerer Konflikt. Stoff genug für eine Serie, dachten sich die Serienerfinder Joe und Tony Gayton. Der Mad Men-Abosender AMC griff zu und gewann: Rund drei Millionen sahen die erste Saison, eine zweite ist bestellt.

Wiewohl die Kritik sich nicht einhellig begeistert zeigt: Alles gut und schön, aber Hell on Wheels reiche nicht annähernd an die Qualität der Goldgräberserie Deadwood heran, mäkelte die New York Times. Sechs Jahre nach den letzten Abenteuern der rauen Mannen könnte das stilbildende HBO-Epos dennoch Konkurrenz bekommen. Hell on Wheels ist Teil eines Revivals von Westernserien - wenn auch ohne Bonanza-Charme:

Harry Potter-Regisseur Chris Columbus setzt für CBS das Remake von Sam Peckinpahs 1960er-Westernserie The Rifleman um. In Gateway (TNT) verteidigen drei Brüder ihre Stadt gegen windige Betrüger. In Gunslinger und Hangtown von ABC sind flinke Finger am Werk. Longmire von A&E schickt einen einsamen Sheriff ins Feld. CBS bereitet Ralph Lamb nach einer Idee von Good Fellas-Autor Nicholas Pileggi vor. NBC bestellte bei The Frontier und eine Dramaserie über das Frauenleben im Wilden Westen. Vielleicht für mehr Sanftheit im Serienfernsehen. (Doris Priesching, DER STANDARD; Printausgabe, 16.2.2012)