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Foto: REUTERS/Philippe Wojazer

Hat Sarkozy bei den Präsidentschaftswahlen im April/Mai noch eine Chance? Allein schon der Umstand, dass die Frage gestellt wird, noch bevor der französische Präsident die Kandidatur für ein zweites Fünfjahresmandat offiziell erklärt hatte, spricht Bände. Gäbe es in Paris Wettbüros wie in London, fiele die Quote des Jockeys Sarkozy gelinde gesagt dürftig aus. Das hat zwei relativ simple Gründe: Die Wirtschaftsbilanz des rührigen Staatschefs ist negativ; Arbeitslosigkeit und die Staatsverschuldung sind seit 2007 massiv gestiegen - im Unterschied zur Kaufkraft, die Sarkozy bei seiner Wahl 2007 hochzuzaubern versprach. Zum zweiten sind heute auch viele Rechtswähler richtiggehend allergisch auf den Stil des dauergaloppiernden Präsidenten.

Nun scheint das Szenario laut allen Umfragen vorgezeichnet: Sarkozy dringt Ende April mit Müh und Not in die Stichwahl ein, wo er dem sozialistischen Favoriten François Hollande unterliegt. Bloss mögen es die Franzosen nicht besonders, wenn die Meinungsforscher das Wahlergebnis vorwegnehmen. Noch so gerne machen sie ihnen und den Politikern einen Strich durch die Rechnung. Darin liegt paradoxerweise eine Chance für das Umfrage-Rotlicht im Elysée. Aber auch für Kandidaten wie François Bayrou: Der Chef der Mittepartei Modem kann in die zweite Runde vorstossen, wenn er es (was ihm allerdings selten gegeben ist) etwas geschickt anstellt; in der Endausscheidung könnte er dann auf die Stimmen der Rechten zählen, die Hollande verhindern wollen. Aber auch die Front-National-Kandidatin Marine Le Pen setzt darauf, wie ihr Vater Jean-Marie Le Pen 2002 in die Stichwahl vorzustossen. Eine neue Sensation ist möglich, auch wenn das Verhalten ihrer Wähler ziemlich undurchschaubar bleibt.

Was Sarkozy anbelangt, ist nicht zu vergessen: Der 57-jährige Gaullist mag ein unpopulärer und mittelmässiger Präsident sein - doch er ist ein gerissener und gnadenloser Wahlkämpfer. Im Unterschied zur Wahl 2007 gegen Ségolène Royal steht er nun mit dem Rücken zur Wand. Und er attackiert bereits hart auf der Rechten: Gleich zwei Volksabstimmungen stellt er für den Fall seines Wahlsiegs in Aussicht - um die Rechte der Zuwanderer und der Arbeitslosen zu beschneiden. Bis im April wird der "kleine Napoleon" (ein älterer Spitzname) alle Reserven aufbieten, alle Tricks anwenden, alle Mittel in die Schlacht werfen. Er wird dies umso skrupelloser tun, als es auf jeden Fall seine letzte Kampagne sein wird; ein drittes Mandat untersagt die Verfassung. So sei zumindest eine Wetterprognose gewagt: Der französische Frühling dürfte von heftigen Turbulenzen begleitet sein. (derStandard.at, 15.02.2012)