Still und starr ruht der Langbürgner See im bayerischen Chiemgau. Vereist ist er, aber im Gemeindeamt in Breitbrunn rät man, die Eisfläche nicht mehr zu betreten: Einbruchgefahr!

Kühl ist auch das Verhältnis zwischen den Bewohnern in Breitbrunn sowie den angrenzenden Gemeinden und der RAG Austria (Rohöl-Aufsuchungs Aktiengesellschaft). Die RAG, an der die Energieversorger EVN, Eon, Salzburg AG und die Steirische Gas-Wärme GmbH beteiligt sind, will unter dem Langbürgner See, der Teil einer Seenplatte ist, nach Erdgas bohren und hat beim Bergamt München einen entsprechenden Antrag gestellt.

Doch das Ansinnen der Österreicher kommt im Nachbarland Bayern nicht gut an. "Es ist ein extrem unsensibler Akt, solche Bohrungen im ältesten bayerischen Naturschutzgebiet vornehmen zu wollen. Von dort beziehen wir unser Grundwasser, niemand kann garantieren, dass keine Schäden angerichtet werden", sagt der Rechtsanwalt Bernhard Fricke zum Standard. Er ist Chef der Bürgerinitiative "David gegen Goliath" und koordiniert den Widerstand gegen das Projekt.

Die Politiker der Region hat er auf seiner Seite. "Niemand will diese Bohrungen", sagt auch Johann Thalhauser (CSU/Freie Wähler), der Bürgermeister von Breitbrunn. Was ihn am meisten empört: "Wir dürfen wegen des Naturschutzes auf unserem See nicht einmal mit dem Schifferl fahren. Also wehren wir uns auch dagegen, dass da herumgebohrt wird."

Bei einer Bürgerversammlung mit Vertretern der RAG haben die bayerischen Wutbürger auch auf Niedersachsen verwiesen. Dort ist vor kurzem Benzol im Erdreich nahe einer Erdgasförderstätte gefunden worden. Eines hat die Bürgerinitiative in Bayern bereits geschafft: Das Verfahren ruht derzeit, wie das Bergamt in München bestätigt.

Alternativen werden geprüft

"Wir nehmen die Sorgen ernst und wollen Konsens mit den Bürgern", sagt RAG-Sprecherin Elisabeth Kolm. Der große Widerstand habe das Unternehmen "ziemlich überrascht". Sie betont auch: "Wenn man, wie Deutschland, aus der Atomkraft aussteigt, entsteht eine Versorgungslücke, die durch Erdgas gefüllt werden kann." Sorgen um den Naturschutz müsse sich niemand machen: "Die RAG gibt es seit 75 Jahren, wir haben Erfahrung." Die RAG sucht jetzt nach Alternativen in der Gegend.

Doch die Bürger beruhigt das nicht. "Es geht nicht darum, ob die Bohrstelle um ein paar hundert Meter versetzt wird. Hier soll überhaupt nicht gebohrt werden." Nachsatz: "Wenn die RAG hier bohren will, dann wird ihr das nur unter massivem Polizeischutz gelingen." Bald soll es wieder einen Bürgerdialog in Bayern geben.(Birgit Baumann, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 17.2.2012)