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150 Millionen Euro kostete eine mit Vehemenz von der schwedischen Regierung beworbene Impfkampagne gegen das H1N1-Virus. 170 Personen, meist Kinder und Jugendliche, erkrankten wegen der Impfung schwer. Der Pharmakonzern muss ihnen aber nichts zahlen.

Foto: REUTERS/Vincent West

5,4 Millionen Schweden, das sind 60 Prozent der Bevölkerung, gingen 2009 in Kliniken, um sich dem Rat der Behörden folgend gegen Schweinegrippe (H1N1) impfen zu lassen. Wer sich nicht impfen ließ, wurde ausgegrenzt. Das sei unverantwortlich, hieß es bei von den Unternehmen oder Schulen organisierten Massenimpfungen.

Heute ist die Wut groß. Denn laut einer diese Woche publizierten Studie des Europäischen Seuchenkontrollzentrums in Stockholm war die Schweinegrippeimpfung mit einer Todesrate von 0,31 Fällen auf 100.000 Personen der teuerste Flop in der Geschichte des aufwändigen schwedischen Gesundheitssystems. Die 5,4 Millionen Impfungen sollen maximal in sechs Fällen Leben gerettet haben. In Deutschland, wo sich nur acht Prozent der Bevölkerung impfen ließen, war die Sterblichkeitsrate gleich hoch. In Polen gab es kein Impfprogramm. Die Sterblichkeit war dort nur wenig höher, bei 0,47 Fällen pro 100.000 Einwohnern.

Milliarden Kronen für Impfaktion

Laut dem schwedischen Radio SR kosteten die Impfungen ohne Personalkosten 1,3 Milliarden Kronen (150 Millionen Euro). Viel schlimmer sind die Nebenfolgen der Impfungen. Die Zeitung Svenska Dagbladet enthüllte nun, dass 170 Personen an ernsten Nebenwirkungen des Impfstoffes erkrankt seien. Das Gesundheitsministerium bestätigte die Zahl.

Die meisten Geschädigten sind Kinder und Jugendliche. Sie leiden seit der Impfung an der Schlafkrankheit Narkolepsie.

Spritze hat Leben verändert

"Ich vertraute den Behörden. Eine Spritze - und mein ganzes Leben war verändert", sagt die Gymnasiastin Daniela Dahl. Plötzlich schlief sie ständig ein. Ärzte glaubten, das sei Stress, der dunkle Winter, die Pubertät. Nichts, worüber sich die damals 16-jährige sorgen müsste. Dann endlich nahm ein Spezialist sie ernst.

Viele Betroffene kämpfen um Schadenersatz. "Unsere Kinder haben eine lebenslange Behinderung durch die Impfung bekommen, müssen ihr Leben lang Medikamente nehmen. Es ist Zeit für die Regierung, Verantwortung zu übernehmen", fordert Tomas Norberg, dessen 17-jähriger Sohn Simon betroffen ist.

Ein teurer Flop

Die Regierung will jedem Opfer rund 5680 Euro zahlen und weitere Ansprüche nach der Volljährigkeit mit 18 Jahren neu verhandeln. "Es wird eine Form von Kompensation geben", räumte der bürgerliche Gesundheitsminister Göran Hägglund ein. Verbindlich ist das allerdings noch nicht.

Als Schweden den Impfstoff 2009 vom britischen Pharmakonzern Glaxo Smith Kline kaufte, war der Mangel groß, sodass sich die Regierung darauf einließ, den Konzern von eventuellen Schadensersatzansprüchen freizustellen und nun allein für diese aufkommen muss. Zudem kaufte man zu viel Impfstoff. Sechs Millionen Impfstoffdosen um 45,4 Millionen Euro. Ein teurer Flop. (André Anwar aus Stockholm, DER STANDARD, Printausgabe, 17.2.2012)