Kurt Langbein: "Radieschen von oben. Über Leben mit Krebs". Ecowin 2012, 215 S., 21,90 Euro

Foto: Buchcover/Ecowin

Mit Bittere Pillen begründete der Wissenschaftsjournalist Kurt Langbein einst seinen Ruf. Missstände aufzudecken wurde daraufhin zu seinem Spezialgebiet, im Gesundheitswesen gibt es wohl kaum einen Bereich, den er nicht hinterfragt, durchleuchtet und kritisiert hätte - Ärzte allen voran. Sein neuestes Werk unterscheidet sich jedoch von all den vorherigen dramatisch: Aus dem streitbaren Journalisten ist ein Betroffener geworden. Seit vielen Jahren leidet Kurt Langbein an Krebs. Den Kampf, den er gegen sein Prostatakarzinom führt, hat er in schonungsloser Offenheit aufgezeichnet.

Dabei fällt ihm der Perspektivenwechsel vom objektiv-kühlen Rechercheur zum ängstlich-wehleidigen Patienten, der sich an jede Hoffnung klammert, selbst nicht leicht. Langbein trennt die beiden Bereiche: Es gibt Kapitel, in denen er Fakten aus Studien zusammenträgt und medizinische Zusammenhänge simplifizierend und damit laientauglich erklärt. Über weite Strecken schöpft er hier aus seinem Erfahrungsschatz, vieles davon kennt man aus seinen früheren Büchern. In jenen Kapiteln jedoch, in denen er aus der Sicht eines Betroffenen schreibt, wird der Lesende zum Voyeur, schaut zu, wie der Autor in vielen Dingen mit dem eigenen Wissen in Konflikt gerät. Für Menschen, die mit der Diagnose Prostatakrebs konfrontiert sind, kann die Lektüre aber sicher zu einer Art Leitfaden werden. Aber auch alle, die Langbein kennen und mit dem nicht unproblematischen Menschen die eine oder andere Wegstrecke gegangen sind, werden interessante Passagen finden.

Langbein lässt im Buch sein Leben, seine Karriere und Erfolge Revue passieren. Am Ende geht es um die Frage, was Krebs auslöst, um gesunde Lebensführung, die Macht von Placebo und den Stellenwert, den Religion auf den Heilungsprozess haben könnte. Hier hat Langbein ganz für sich selbst recherchiert. Das macht das Buch dann auch am ehesten zum Psychogramm eines Menschen, der im Angesicht seiner eigenen Vergänglichkeit um Fassung ringt und erstmals Gelassenheit als neues Mantra entdeckt. (Karin Pollack, DER STANDARD, Printausgabe, 20.2.2012)