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Journalisten in Strahlenanzügen stehen vor dem Kraftwerksgelände in Fukushima. Erst in etwa 25 Jahren sollen hier die geschmolzenen Kerne aus den Reaktoren entfernt werden.

Foto: Issei Kato, Pool/AP/dapd

Tokio/Fukushima - Früher haben Japans Nationalspieler hier im J-Village in Fukushima ihre Trainingsleibchen getauscht. Heute wechseln im Trainingszentrum des Japanischen Fußballbundes 25 Kilometer südlich der strahlenden Ruinen vom AKW Fukushima 1 täglich tausende Arbeiter aus ihrer Freizeitkleidung in weiße Strahlenschutzanzüge. Auf den Fußballplätze steht jetzt eine Containersiedlung, das Hauptquartier für die Aufräumarbeiten im AKW.

Es herrscht reger Verkehr. Busse pendeln nahezu nonstop zwischen dem J-Village und dem AKW. Denn 3000 Arbeiter seien zu jedem Zeitpunkt an den sechs Meilern des Nuklearkomplexes damit beschäftigt, strahlende Trümmer zu bergen und die Reaktoren zu kühlen, sagt ein Mitarbeiter der Betreiberfirma Tepco. Routine im Strahlenalltag.

Presse eingeladen

Zum zweiten Mal, seit am 11. März 2011 ein Erdbeben der Stärke neun und ein Tsunami im AKW zu einer mehrfachen Kernschmelze geführt haben, hat Tepco wieder die Presse eingeladen. Das Unternehmen will die Fortschritte der Aufräumarbeiten zeigen. Seit Dezember sind die Meiler laut Tepco und der Regierung "kalt abgeschaltet" - die Temperatur im Inneren der Meiler soll unter 100 Grad Celsius liegen und das Kühlwasser wieder zirkulieren.

In Ostjapan haben die Menschen genaue Strahlenkarten erstellt und ihr Leben dementsprechend angepasst. In Hotspots wie einigen Stadtteilen der mehr als 60 Kilometer von dem AKW entfernten Stadt Fukushima spielen Kinder nur drinnen, in geringer verstrahlten Gebieten wie dem 25 Kilometer nördlich der Meiler gelegenen Mina-Soma auch draußen.

Neuer AKW-Manager

Im J-Village geht es locker zu, weil die Lage hier als sicher gilt. Doch je näher die Busse an die Meiler rollen, desto mehr wird Besuchern der Sinn der Strahlenschutzanzüge bewusst. Einen Kilometer von den Meilern steigt die Dosis auf 9,9 Mikrosievert pro Stunde (87 Millisievert pro Jahr), am Haupttor zum AKW auf 130 Millisievert pro Jahr und vor dem Krisenmanagementzentrum im AKW 400 Millisievert pro Jahr. Ab mehr als 20 Millisievert jährlich muss evakuiert werden.

Im Krisenzentrum stellt sich der neue AKW-Manager Takeshi Takahashi den Medien, der seit Dezember 2011 die Arbeit am AKW leitet. Sein Vorgänger Masao Yoshida musste ausgerechnet wegen Krebs seinen Job aufgeben.

Reaktoren stabil halten

Unwirsch wischt Takahashi besorgte Fragen nach seiner Gesundheit beiseite. Stattdessen spricht er lieber über die Zukunft. Seine Aufgabe sei, die Reaktoren 1 bis 4 sicher und stabil zu halten und dafür zu sorgen, dass keine Radioaktivität mehr austrete. Doch die wichtigste Herausforderung sei nun, die geschmolzenen Kernbrennstäbe zu entfernen. " Das ist technisch ein schwieriges Problem, aber wir wollen es Schritt für Schritt schaffen", sagt Takahashi.

Der Zeitplan für die Aufgabe ist sehr langfristig angelegt. Schon für die Überdachung der Meiler und das Stopfen der Lecks hat die Regierung zwei Jahre veranschlagt. Bislang ist nur Reaktor 1 überdacht. Erst in 20 bis 25 Jahren sollen der Brennstoff rückstandsfrei ausgeräumt werden. Wie das geschehen soll, ist allerdings noch unklar. Denn die Techniken dafür müssen erst noch erfunden werden. (Martin Kölling, DER STANDARD, Printausgabe, 21.2.2012)