Nach der Entführung und mehrfachen Vergewaltigung einer jungen Oberösterreicherin durch einen 28-jährigen Freigänger der Justizvollzugsanstalt Wels sagen die behandelnden Ärzte der 21-Jährigen eine sehr "schwere Zukunft" voraus. Das Opfer werden das Erlebte schwer vergessen können, die seelischen Narben seien "einfach zu tief", erklärte Primar Klaus Reisenberger vom Krankenhaus Wels im STANDARD-Gespräch am Donnerstag.

"Sehr schlechter Zustand"

Die junge Frau sei am Mittwochnachmittag in Begleitung der Mutter in "sehr schlechtem Zustand" ins Spital gebracht worden, so Reisenberger. Das Problem seien weniger die körperlichen Verletzungen, etwa schwere Würgemale am Hals, sondern die "tiefen psychischen Wunden". Die Frau habe in einem mehrstündigen Gespräch unter Tränen das Geschehene geschildert.

Donnerstagfrüh verließ sie auf eigenen Wunsch das Krankenhaus, sie und ihre Familie werden aber weiterhin betreut werden. Der Mediziner befürchtet bei solchen Patientinnen schwere Depressionen oder Probleme, eine Partnerschaft einzugehen.

Erhöhte Wachsamkeit von Justizwachebeamten gefordert

Die Experten der oberösterreichischen Organisation "Neustart", die sich speziell mit Haftentlassenen beschäftigt, fordern nach diesem Vorfall für die Zukunft eine erhöhte Wachsamkeit von Justizwachebeamten bei den Freigängern. Durch noch intensivere Vor- bzw. Nachbesprechungen mit den Häftlingen könnte man möglicherweise rechtzeitig die "Alarmglocken läuten hören", wenn zum Beispiel ein Freigänger sich auffallend aggressiv verhält. "Solche Vorfälle wie der aktuelle in Wels passieren so gut wie nie aus heiterem Himmel - meistens gibt es klare Vorzeichen", erläutert Andreas Zembaty von "Neustart" im STANDARD-Gespräch. (mro/DER STANDARD; Printausgabe, 13.6.2003)