Ein Blick auf meine Schulnachricht verrät: Im letzten Semester habe ich 16 unterschiedliche Schulfächer besucht, 13 davon obligatorisch. In Relation zu meinen 35 Wochenstunden macht das im Mittel etwas mehr als zwei läppische Unterrichtsstunden zu je 50 Minuten pro Fach und Note.

Natürlich wird nicht auf alle Unterrichtsgegenstände gleichermaßen Wert gelegt und demnach Stunden ungleich verteilt. Die Leistungsforderung in jenen 16 Fächern ist dennoch weitgehend dieselbe. Dies bedarf einer 16-fachen Vertiefung in teilweise unterschiedlichste Themengebiete. Um auf den Punkt zu kommen, eine gewisse Überforderung der Schüler und Schülerinnen scheint mir nicht weit aus dem Kontext gegriffen. Lernen an sich sollte dazu dienen, sich und sein persönliches Wissen zu bereichern und bestenfalls auch noch Gefallen daran zu finden. Doch diese "Mustereinstellung" gleicht in heutigen Zeiten einer wahren Rarität.

Allgemeinwissen

Das Lernen mit dem simplen Ziel einer guten oder, besser gesagt, positiven Zeugnisnote erfreut sich demgegenüber immer größer werdender Beliebtheit. Dessen Sinnhaftigkeit sei jedoch dahingestellt. Nur zu lernen, was einen persönlich interessiert und anspricht, ist meiner Meinung nach auch nicht der richtige Weg. Dagegen spricht, und so komme ich zum nächsten gewichtigen Punkt, das heutzutage so hochgehaltene Allgemeinwissen. Dessen Wert möchte ich jedoch keinesfalls mindern, denn auch für mich ist ein gewisses Maß an "Basic Knowledge" von großer Relevanz. Eine solch umfassende Bandbreite an Wissen, mit der wir Schülerinnen und Schüler heutzutage konfrontiert sind, halte ich jedoch für maßlos übertrieben und in ihrer Sinnhaftigkeit fragwürdig.

Bildung als Privileg, aber ...

Denn ohne Zweifel geht der Großteil des erworbenen Wissens verloren - erst recht bei einer solch großen Zahl an verschiedenen Themengebieten. Um mich an dieser Stelle nicht falsch zu verstehen: Ich sehe Bildung natürlich als ein Privileg an, das in dieser kapitalistischen Welt nicht jedermann zugänglich ist. Trotzdem scheint mir ein Eingehen auf Probleme, Wünsche und Vorlieben der Zukunftsträger dieses allzu fortschrittlichen Landes nicht fehl am Platz. Die vielfach kritisierte Mentalität von Österreichs Schülerinnen und Schülern, Schule und Lehrer zu missbilligen und schlechte Noten als ein Zeichen von "Coolness" aufzufassen, ist das tatsächliche Resultat bildungspolitischer Alleingänge.

Reduktion der Pflicht- und Erhöhung der Wahlpflichtfächer

Aus eigener Erfahrung weiß ich: Was mich interessiert, das merk ich mir, auch langfristig. Klar, gewisse "Basics" dürfen dabei natürlich nicht fehlen. Die Rede ist von einer Reduktion der Pflicht- und einer Erhöhung der Wahlpflichtfächer, einem sogenannten Kurssystem. Die Einführung eines solchen bereits in anderen Ländern erprobten Systems auch in unteren Bildungswegen ist in meinen Augen die Lösung des Problems, eines tiefgreifenden Problems, dessen Ursachen wohl tief verankert in politischen Strukturen liegen.

Schulen als Lebensraum

Ein Blick auf Österreichs Abschneiden bei PISA-Tests zeigt unwiderruflich die Notwendigkeit einer Reform des nationalen Bildungssystems. Eine andere Möglichkeit wäre die Erhöhung der Unterrichtsstundenzahl in Form einer Ganztagsschule. Wobei hierbei Schulen als Lebensraum großzügiger zu gestalten und auch Freizeitgestaltungen einzubinden wären. Aus finanziellen und strukturellen Gründen sehe ich das jedoch als ziemlich unwahrscheinlich.

Am Beispiel der Briten: Abgesehen von den erfolgreichen Bildungsstrukturen skandinavischer Staaten, die großen Wert auf Ganztagsschulen legen, ist in meinen Augen die Idee des britischen Schulsystems eine sehr vorbildliche. Es ist eine Art Mittelweg zwischen Allgemeinwissen und individuellen Interessen: Britische Schülerinnen und Schüler erlernen (in der Regel) bis zum 16. Lebensjahr gewisse "Basics", danach folgt eine Sekundärschul-Abschlussprüfung, und schließlich führt ein Kurssystem zu den sogenannten "A-Levels".

Abschließend ein kleiner Appell an das Bildungsministerium: Eine fundamentale Bildungsreform ist dringendst vonnöten, je früher, desto besser. (Leserkommentar, derStandard.at, 24.2.2012)