In mehreren europäischen, darunter auch österreichischen Städten wie Wien, Graz, Linz, Innsbruck und Klagenfurt sind am Samstag, 25. Februar erneut Tausende Menschen auf die Straßen gegangen, um gegen das umstrittene Acta-Abkommen zu protestieren. Dank erheblich höherer Temperaturen nahmen mehr Menschen an den Veranstaltungen teil als am bitterkalten 11. Februar - der WebStandard berichtete.
Laut Polizei rund 3.000 Protestierende
In Wien sollen laut Polizeiangaben rund 3.000 Menschen dem Demonstrationsaufruf gefolgt und über die Mariahilfer-Straße vor das Parlament gezogen sein. Wobei schon am 11. Februar etwa 4.000 Menschen gezählt wurden. Organisiert wurde die Demonstration von der Piratenpartei, den Grünen, der "Initiative für Netzfreiheit" und der Sozialistischen Jugend. Es gab keine Zwischenfälle.
Mit lauten Parolen und vielen Transparenten zeigten die Demonstrationsteilnehmer ihren Protest gegen ACTA. Viele der Aktivisten trugen Guy-Fawkes-Masken, die als Zeichen des Internetkollektivs "Anonymous" gelten. Die Demonstration ging friedlich vor sich. Die vor dem Parlament abgehaltenen Reden verwiesen immer wieder auf die Vorratsdatenspeicherung, die mit 1. April in Kraft treten soll.
"2:1 gegen ACTA"
Bundesrat Marco Schreuder (G) erklärte, die Demonstration richte sich nicht nur gegen ACTA sondern kämpfe auch für eine Demokratie. Er sprach von einem "2:1 gegen ACTA", dennoch sei die Gefahr noch nicht vorbei. Auch Christian Marin , Sprecher der Piratenpartei Österreich, Markus Stoff von der "Initiative für Netzfreiheit", Wolfgang Moitzi, Vorsitzender der Sozialistischen Jugend, und Alexander Sander, der in Vertretung des EU-Abgeordneten Martin Ehrenhauser sprach, zeigten sich zwar erfreut über das Vorhaben der EU-Kommission, ACTA vom Europäischen Gerichtshof prüfen zu lassen. Sie mahnten die Teilnehmer aber, "nicht locker zu lassen" und auch nach einer möglichen längeren Wartezeit auf das Urteil weiterzukämpfen. "Wir vergessen nicht", so Moitzi.
Weniger bekannte Seiten von ACTA
SPÖ-Entwicklungssprecherin Petra Bayr sprach "die weniger bekannte Seite" von ACTA an, und betonte, dass ACTA auch den Verkauf von Generika an Entwicklungsländer verbiete. Allein in Afrika seien 6,6 Millionen Menschen von nachgemachten Marken-Medikamenten abhängig, erklärte sie. Andreas Krisch von, dem Verein für Internet-Benutzer Österreichs (VIBE!AT), sprach sich besonders gegen die geplante Providerhaftung aus. Die Post dürfe nicht mitschreiben, wer welche Inhalte an wen schickt, oder was in Briefen stehe. "Warum soll das Internetprovidern erlaubt sein?" fragte er die Menge. Die Kundgebung endete mit einer von den Veranstaltern abgespielten Nachricht von Anonymous. Darin wurden die Zuhörer aufgefordert, auch gegen die Vorratsdatenspeicherung zu protestieren.
Deutschland
Auch in Deutschland demonstrierten wieder mehrere tausend Aktivisten gegen ACTA. Der unter anderem von der EU, den USA und Japan ausgehandelte Vertrag ist von mehreren EU-Staaten, darunter auch Deutschland auf Eis gelegt worden. Die EU-Kommission hat ACTA dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Prüfung vorgelegt. Die Kritiker sehen in dem Abkommen eine Einschränkung von Freiheitsrechten im Internet.
In Hamburg zogen laut Polizei 1500 Menschen in einem Protestzug durch die Innenstadt. Rund 700 Menschen demonstrierten in der Hauptstadt: Vor dem Roten Rathaus in Berlin forderten die Netz-Aktivisten auf Schildern unter anderem "Überwachungsstaat abschaffen". Manche meinten: "ACTA: Rechtsstaat war gestern".
Initiatoren
Die USA und Japan hatten das ACTA-Abkommen initiiert. Es soll die Rechte des geistigen Eigentums im Internet stärken und Produkt-Piraterie im Netz verhindern. Nach andauernden Protesten haben mehrere EU-Länder die Ratifizierung ausgesetzt. Die Gegner kritisieren, dass Lobbyisten der Musik- und Filmindustrie massiv Einfluss auf das Vertragswerk genommen hätten.
Einschränkung
Das Anti Counterfeiting Trade Agreement sieht vor, dass Behörden von Internet-Providern Informationen wie die IP-Adresse erhalten. Dies soll im Falle von Urheberrechtsverletzungen vermeintliche Täter identifizieren. Die ACTA-Gegner befürchten, dass durch eine Realisierung des Vertrags das Internet massiv an Meinungsfreiheit einbüßen würde. Mit einer Unterzeichnung zögern bisher europäische Staaten wie Deutschland, Estland, Niederlande, die Slowakei sowie Zypern. Vorerst gestoppt wurde die Ratifizierung durch das Parlament in Lettland, Polen und Tschechien.
"Rolle rückwärts unnötig"
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) - seit der ersten Stunde ein Befürworter der Abkommens - geht nach einem Bericht der "Wirtschaftswoche" davon aus, dass die Bundesregierung trotz ihres Rückziehers letztlich unterschreiben werde. "Wir sind davon überzeugt, dass die Rolle rückwärts unnötig ist. Die Regierung wird auch nach der Prüfung ACTA nicht ablehnen können", sagte der BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber.
Route und Zeitplan online
Über auf Facebook eingerichtete Eventseiten (Stopp ACTA - Wien) können sich Interessierte über Treffpunkt, -zeit und Routen (Wien) in ihrer Stadt informieren. Auf der Website der österreichischen Piratenpartei finden sich zudem eine Übersichtskarte der Proteste in ganz Europa sowie sämtliche Routen der Demonstrationen. (APA/red)
Auch diesmal rief der WebStandard Leserinnen und Leser dazu auf, Fotos von den Protesten zu schicken. Großen Dank an alle, die dem Aufruf via E-Mail und Twitter gefolgt sind!