Wien - Der neu gewählte ORF-Zentralbetriebsrat (ZBR) bleibt weiter bei seinem "Nein" im Hinblick auf einen möglichen Wegzug vom Wiener Küniglberg. Wie ZBR-Vorsitzender Gerhard Moser und sein Stellvertreter Gerhard Berti im Interview mit der APA betonten, haben die Belegschaftsvertreter auch kein Verständnis für neue Sparvorgaben. Dass Moser trotz Stimmenrückstands seiner "Liste Unabhängige" auf Berti ("Liste Miteinander") den Vorsitz übernommen hat, begründen sie mit "Kontinuität" und betonen wechselseitiges Vertrauen.
Zufällig schlecht
Die Belegschaftsvertreter beeindruckt wenig, dass der Kaufmännische Direktor des ORF, Richard Grasl, Anfang Februar die Führungskräfte des Hauses dazu aufgerufen hat, auf die Kostenbremse zu steigen. Schließlich sei das Ergebnis des Vorjahres einmal mehr besser ausgefallen als erwartet, sagte Moser: "Die Krisenszenarien, die von der Kaufmännischen Direktion und der Generaldirektion jedes Mal wie das Amen im Gebet kommen, halte ich für übertrieben." Vor allem vor Gehaltsverhandlungen im Herbst stehe der ORF wie zufällig besonders schlecht da, glaubt er: "Wenige Wochen später ist das Ergebnis dann besser als jemals gedacht. Das halte ich mittlerweile für ein taktisches Kalkül und nicht für korrekt."
Plafond erreicht
Weitere Kostensenkungen seien ohnehin nicht drinnen, schließlich habe man binnen drei Jahren jeden siebenten Dienstnehmer abgebaut, betonte der Zentralbetriebsratsobmann: "Wir haben den Plafond bei den Arbeitskapazitäten nicht nur erreicht, sondern überschritten. Wenn man sich einzelne Bereiche ansieht, ist es so, dass die Mitarbeiter über die Grenzen der Belastbarkeit hinaus arbeiten; und das nicht nur seit Monaten." Außerdem gebe es mit zwei Sparten-Fernsehkanälen und ausgebauten Sendeschemata im Hörfunk noch mehr Programm.
Weg geht gar nicht
Ein "No-Go" ist für die Betriebsräte eine Absiedelung des ORF-Zentrums und des Funkhauses, sagte Moser: "Ich halte das für ein städtebauliches Experiment. Es gibt auch nach wie vor kein - und das ist eine wesentliche Frage - vernünftiges und nachvollziehbares Raum- und Funktionsprogramm für einen ORF in zehn Jahren." Diskutieren könne man lediglich "über das sogenannte Medienhaus auf der Heiligenstädter Lände", das unter anderem Ö3 beherbergt.
Wie Berti, der als Technikbetriebsrat in den Zentralbetriebsrat einzog, betonte, befürchtet man bei einem etwaigen Umzug auch Ausgliederungen: Die Geschäftsführung sei sehr oft mit solchen Gedanken beschäftigt, glaubt er. "Dass der Betriebsrat gegen Ausgliederungen sein muss, ist klar. Wir haben ohnehin in allen Bereichen so viele prekäre Arbeitsverhältnisse, die uns die Tage, die Wochen und die Monate mit betriebsrätlicher Arbeit füllen."
Kein Ehepaar
Berti betonte auch, den Vorsitz "nicht abgegeben", sondern "uns gemeinsam konstituiert" zu haben. "Wir brauchen da jetzt nicht das Ehepaar zu spielen, aber der Zentralbetriebsrat funktioniert gut. Ich glaube auch, dass man sich in der Belegschaft erwartet, dass wir zusammenarbeiten. Das hat ja auch das Wahlergebnis gezeigt. Wir haben uns mandatsmäßig neu geordnet, wollen aber den gemeinsamen Weg der letzten vier Jahre fortsetzen." Moser, der weiterhin Vorsitzender bleibt, betonte, dass das Vertrauen auch unter den übrigen Proponenten der jeweiligen Listen gegeben sei: "Es ist ja nicht nur so, dass es einen Vorsitzenden gibt - es gibt auch andere wesentliche Funktionen im Zentralbetriebsrat."
Pochen auf Reform
Die beiden ORF-Zentralbetriebsräte Gerhard Moser und Gerhard Berti pochen auch weiter auf eine Reform des ORF-Gesetzes, vor allem im Hinblick auf die dort festgesetzte Senkung der Pro-Kopf-Kosten. Der ORF habe sich mit der jüngsten Novelle "unter Staatskuratel gestellt", findet Moser: "Eine Medienbehörde, die von außen diktiert und bestimmt, eine gesetzliche Verpflichtung, Personal abzubauen, Pro-Kopf-Kosten zu senken, das gibt es sonst für kein mir bekanntes Unternehmen."
Auch die Social Media-Verbote für den öffentlich-rechtlichen Medienriesen will der ZBR bekämpfen. Man könne den ORF nicht von technologischen Entwicklungen abschneiden, sagte Moser: "Das ist genauso, wie wenn man bei der Einführung des Farbfernsehens gesagt hätte: 'Farbfernsehen gibt es, aber nur für Privatsender.'"
ORF stünden 57 Millionen zu
Die Betriebsräte verlangen außerdem eine unbefristete und "volle Gebührenrefundierung", betonte Moser. Rechne man die derzeit 315.000 Befreiten hoch, würden dem ORF laut Betriebsratsrechnung heuer 57 Mio. Euro zustehen - bekommen wird er nur 30 Millionen. Der ZBR schlägt außerdem eine automatische Inflationsabgeltung oder eine Haushaltsabgabe vor.
Die Vorbehalte gegen ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz, dem man noch vor wenigen Wochen rund um die gescheiterte Bestellung des roten Stiftungsrates Niko Pelinka zu seinem Büroleiter einen "Hasard" vorgeworfen hatte, scheinen derzeit ausgeräumt. Moser hofft, "dass der Generaldirektor in den letzten Monaten einiges gelernt hat", wie er sich ausdrückte. "Es ging auch um andere Geschichten. Dass diese Form nicht geht, hat er auch mitbekommen."
"Spielregeln verletzt"
Von den zu Jahresbeginn strittigen Personalbestellungen ist derzeit nur die Bestellung von Thomas Prantner zu einer Art Onlinechef innerhalb der technischen Direktion offen. Moser spricht von einem "Husch-Pfusch-Verfahren": "Es kann ja nicht sein, dass ich die Strukturen ohne Rücksprache mit der Belegschaftsvertretung ändere. Da hoffe ich, dass die Geschäftsführung inzwischen klüger geworden ist, denn so kann man nicht arbeiten. Hier wurden die Spielregeln der Sozialpartnerschaft im Unternehmen ganz klar verletzt."
Laut Berti gibt es bereits den Entwurf einer entsprechenden Organisationsanweisung, mit der die Onlinedirektion in die Technik eingegliedert werden soll: "Wir konnten diese erst jetzt prüfen. Sobald wir das überarbeitet haben, werden wir der Geschäftsführung unsere detaillierte Stellungnahme übermitteln. Am wichtigsten war für uns, dass es zu keinerlei Verschlechterungen für die ehemaligen Mitarbeiter der Onlinedirektion kommt." Rund 20 MitarbeiterInnen seien davon betroffen.
Neues Prekariat
Ein großes Problem bleiben für die Belegschaftsvertreter die Freien Mitarbeiter, die derzeit über höhere Honorare verhandeln: "Mitarbeiter, die permanent bei uns sind, aber keine Anstellung haben, kann man nicht 'Freie' nennen, das sind prekär Beschäftigte", so Moser. Das betreffe nicht nur den journalistischen Bereich, sondern auch sogenannte Leasingkräfte.
Seit der Anstellungswelle 2004 habe sich der ORF "ein neues Prekariat herangezüchtet, nur mit dem Unterschied, dass es den Betroffenen heute noch schlechter geht". Man habe "ein extremes soziales Problem, und das ist zu lösen". Insgesamt seien - ohne Leasingverträge - rund 270 Personen betroffen. (APA)