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Reinhold Messner will seine Unschuld beweisen und die Leiche seines verstorbenen Bruders suchen

Montage/Fotos:Reuters

Wien – Mit Vehemenz hat der Südtiroler Extrembergsteiger Reinhold Messner die Vorwürfe ehemaliger Expeditionsteilnehmer zurückgewiesen, er habe im Jahr 1970 bei der Besteigung des 8.127 Meter hohen Nanga Parbat seinen Bruder Günther im Stich gelassen und sei so für dessen Tod verantwortlich. "Das ist eine konzertierte Aktion, ein Komplott!", erklärte Messner am Donnerstag in Wien.

Auf die belastenden Äußerungen in den fast gleichzeitig erschienenen Büchern von Max von Kienlin und Hans Saler werde er nicht über die Medien antworten: "Das macht mein Anwalt".

Der mysteriöse Tod

Mit gleich vier neuen, kontroversiellen Büchern zum mysteriösen Tod des damals 24-jährigen Günther Messner hat die Diskussion um Reinhold Messner (58) eine neue und vor allem ernste Note erhalten. Kienlin und Saler waren 1970 Mitglieder einer deutsch-österreichischen Expedition, die eine Erstbegehung des Nanga Parbat über die gefürchtete Rupal-Flanke zum Ziel hatte, die mit über 4.500 Metern die höchste Steilwand der Welt ist (Erstbesteigung des Berges überhaupt 1953 durch den Tiroler Hermann Buhl). Diese Route wurde schließlich von zwei Seilschaften geschafft: Reinhold und Günther Messner (27. Juni) sowie Felix Kuen und Peter Scholz (28. Juni).

Messner startete Gipfelversuch im Alleingang – Bruder holte ihn ein

Die Tragödie begann indirekt schon beim Aufstieg. Wegen eines Kommunikationsfehlers begann Reinhold Messner einen Gipfelversuch im Alleingang statt im Team. Da das Wetter entgegen der Informationen aus dem Basislager aber schön blieb, stieg Günther nach und holte seinen älteren Bruder schließlich ein. Gemeinsam erreichten sie den Gipfel und schrieben Alpin-Geschichte.

Höhenkrank

Am Gipfel stellte Reinhold nach eigener Aussage bei seinem Bruder aber Symptome der Höhenkrankheit fest. Sein Zustand sei schließlich so schlecht gewesen, dass an einen Abstieg über die eben erst erklommene Rupal-Wand nicht zu denken war. "So wie Günthers Zustand war, wären wir beide unweigerlich abgestürzt", schilderte Messner im Journalistengespräch die Situation.

Passage zu gefährlich für Hilfe

Messner versichert in mehreren seiner Bücher, er habe er nach einer Biwaknacht in zirka 8.000 Metern Höhe versucht Hilfe zu holen, doch die auf einer anderen Route nachsteigenden Kuen und Scholz hätten die beiden Brüder nicht erreichen können. Zu gefährlich sei die Steilpassage zwischen ihnen gewesen. Kienlin und Saler hingegen äußern Zweifel: Messner habe nicht zu verstehen gegeben, dass sein Bruder Hilfe benötige; er habe laut Kuen (1974 verstorben) sogar signalisiert, dass alles in Ordnung sei.

Von Eislawine getroffen

Der große Streitpunkt zwischen Messner, Kienlin und Saler betrifft die kommenden Stunden bzw. Tage: Messner sah nach eigenen Angaben keine Möglichkeit, mit Günther über die gleiche Route abzuklettern, weshalb er sich "aus der Not heraus" dazu entschloss, auf einer anderen Bergflanke abzusteigen, nämlich der Diamir-Wand. Reinhold kam auch tatsächlich nach einer weiteren Biwaknacht ins Tal, Günther verunglückte hingegen am Berg. Nach Messners Schilderung riss ihn eine Eislawine davon.

Vorwurf: Ehrgeiz

Diese Version wird aber von Messners Ex-Kameraden angezweifelt. Sie gehen davon aus, dass Reinhold seinen erkrankten Bruder im Stich ließ, indem er ihn entweder allein in die gefährliche Rupal-Wand zurückschickte (wo er dann abgestürzt sein könnte) oder ihn in Gipfelnähe noch lebend zurückließ, in der Hoffnung, die nachsteigenden Alpinisten würden ihn schon noch finden. Wie Kienlin und Saler schreiben, habe bei Reinhold der Ehrgeiz, die erste Überschreitung des Berges zu machen, über sein Verantwortungsgefühl für Günther gesiegt. Somit wäre er unmittelbar für dessen Tod verantwortlich.

Tagebücher

Die beiden Bücher, die Messner nun nach über 30 Jahren belasten, seien "Kolportagen", weil die beiden Autoren "niemals auch nur in Gipfelnähe waren. Sie können gar nicht wissen, was dort tatsächlich passiert ist", so Messner, der Kienlin gar vorwirft, seine im Buch abgedruckten Tagebuchaufzeichnungen gefälscht zu haben. Mit der Publikation der Bücher werde auf ihn, Messner, "psychische Folter" ausgeübt.

"Ich weiß genau, wo Günther fortgerissen wurde"

Um Beweise zu finden, will Messner nun eine weitere Suchexpedition auf die Beine stellen. Schon 1971 und dann wieder 2000 hatte er eine solche Aktion unternommen, allerdings erfolglos. "Nun habe ich die offizielle Herausforderung, es noch einmal zu probieren. Diesmal – in diesem oder im nächsten Herbst – werde ich mit modernstem Equipment vorgehen, mit Sonden und Metalldetektoren", so Messner. "Ich weiß genau, wo Günther fortgerissen wurde, und wenn ich seine Leiche, den einzigen gültigen Beweis, gefunden haben werde, gibt es eine Flut von Schadenerschatz-Klagen!"

Ob er die Expedition von 1970 bereue? "Nur insofern, als ich meinen Bruder nicht zurückgeschickt habe, als er nachkam", erklärte Messner. Er habe den Ausgang der Geschichte damals nicht erahnen können, aber dennoch "war es ein Fehler, ihn auf den Gipfel mitzunehmen".

Bücher zu Günter Messners Tod

  • MESSNER, Reinhold: Die weiße Einsamkeit. Mein langer Weg zum Nanga Parbat. München (Malik) 2003, ISBN 3-89029-252-6, 23.60 EUR-A
  • MESSNER, Reinhold: Der nackte Berg. Nanga Parbat – Bruder, Tod und Einsamkeit. München-Zürich (Piper) 2003, ISBN 3-492-23921-8, 10.20 EUR-A
  • KIENLIN, Max von: Die Überschreitung. Günther Messners Tod am Nanga Parbat. Expeditionsteilnehmer brechen ihr Schweigen. München (Herbig) 2003, ISBN 3-7766-2345-4, 23.60 EUR-A
  • SALER, Hans: Zwischen Licht und Schatten. Die Messner-Tragödie am Nanga Parbat. München (A1 Verlag) 2003, ISBN 3-927743-65-8, 17.90 EUR-A) (APA)