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Thomas Mühlbacher zur Causa Kampusch: "Demnächst kommt jemand und sagt, Priklopil sei noch am Leben und der leibliche Vater von Natascha Kampusch."

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Thomas Mühlbacher, der nach dem Auftauchen Natascha Kampuschs im Jahr 2006 Sonderermittler im Entführungsfall war, reagiert auf den Vorstoß von Werner Amon mit Unverständnis. Die Aussagen, mit denen Amon, Leiter des U-Ausschusses im Fall Kampusch, im Magazin "Spiegel" an die Öffentlichkeit getreten ist, könne er nicht nachvollziehen, sagt der heutige Grazer Staatsanwalt im Gespräch mit derStandard.at.

Beim derzeitigen Wissensstand handle es sich um jene Ermittlungsakten, die schon dem Parlament zugänglich gemacht wurden und die nichts Neues enthielten, so Mühlbacher. "Wenn Herr Amon jetzt sagt, Wolfgang Priklopil sei nicht obduziert worden, dann stimmt das nicht. Er ist vom Rechtsmedizinischen Institut in Wien sehr wohl obduziert worden und die Todesursache wurde eindeutig festgestellt. Vielleicht hat Herr Amon das Obduktionsprotokoll einfach nicht als solches erkannt."

Dass der Entführer Priklopil nicht Selbstmord begangen habe, wie Amon im "Spiegel" andeutet, widerspreche auch den Zeugenaussagen des Lokführers, so Mühlbacher. "Ich habe selbst genug Fälle gesehen, bei denen die Leichen in einem ähnlichen Zustand waren. Demnächst kommt jemand und sagt, Priklopil sei noch am Leben und der leibliche Vater von Natascha Kampusch. Das sind Verschwörungstheorien, zu denen ich sachlich nicht Stellung nehmen will."

"Er wird schon wissen, was er tut"

Er habe nichts gegen Kritik an den Ergebnissen der damaligen Ermittlungen, so Mühlbacher. "Aber sie sollte sachlich fundiert sein und nicht nur lauten: 'Da stinkt etwas zum Himmel.'" Konkrete Vorwürfe wegen "Ermittlungspannen" hätten immer entkräftet werden können. Bei den Behauptungen Amons wisse Mühlbacher nicht, woher der ÖVP-Abgeordnete "die Fachkenntnis hat, das beurteilen zu können".

Dass Werner Amon seine Zweifel an der Einzeltätertheorie überhaupt medial verlautbaren ließ, ist für Mühlbacher etwas, das der Parlamentarier selbst verantworten müsse. "An sich ist der Ausschuss vertraulich. Er wird schon wissen, was er tut." Ob er bei den für Mitte bis Ende März erwarteten Ergebnissen des U-Ausschusses mit Überraschungen rechne, wollte der Grazer Staatsanwalt nicht sagen.

Grund- und Freiheitsrechte respektieren

Mühlbacher kritisiert generell den Umgang der Öffentlichkeit mit dem Fall Kampusch. Ähnlich wie beim Fußballnationalteam gebe es bei den Ermittlungen Millionen Menschen im Land, die glauben, es besser zu wissen als jene Fachleute, die die nötige Ausbildung und Erfahrung haben.

"Ich habe nichts dagegen, dass sich jeder seine Meinung bildet. Man sollte nur aufpassen, dass man die Grund- und Freiheitsrechte der Beteiligten einhält und dem Opfer nicht dauernd unterstellt, die Unwahrheit zu sagen", kritisiert Mühlbacher. "Es hat mir noch niemand eine Version der Geschichte erzählen können, die wahrscheinlicher ist als jene von Frau Kampusch."

Thomas Mühlbacher war einer der fünf Staatsanwälte in der Causa Kampusch, gegen die die Staatsanwaltschaft Innsbruck wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch ermittelt. Der grüne Abgeordnete Peter Pilz bezeichnete deren Untersuchungen am Dienstag als "erbärmliche Arbeit".(Michael Matzenberger, derStandard.at, 28.2.2012)

Update (28.2.2012, 17.20): Kurz nach Veröffentlichung des Artikels reagierte Werner Amon auf die Aussagen Mühlbachers. Es sei unrichtig, dass Amon jemals eine Aussage über die Existenz oder Nichtexistenz eines Obduktionsberichts getroffen hätte. Dasselbe treffe auf Stellungnahmen über den Selbstmord Wolfgang Priklopils zu. Darüber dürfe Amon in seiner Position gar keine Auskunft geben.

"Die unterstellten Aussagen sind unerhört für einen Staatsanwalt und zeigen, wie sich manche Staatsanwälte allmächtig gegenüber dem Parlament fühlen." Amon könne die Nervosität Mühlbachers verstehen, da dieser selbst maßgeblich daran beteiligt war, dass die Ermittlungen im Fall Kampusch eingestellt worden waren. Den Vergleich mit einem Fußballspiel bezeichnet Amon als "besondere Geschmacklosigkeit", die er aufs Schärfste zurückweist. (mm)