Eine Wiener Wohnanlage in Bau: Die Zahl der Neubewilligungen geht zurück, die Nachfrage nach Wohnungen steigt aber.

Foto: proHolz/Klomfar

Um Wohnungsnot und eine Preisexplosion zu verhindern, bedarf es intelligenten Sparens beim Bauen und Planen sowie neuer Finanzierungsquellen für den Wohnbau.

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Schweinezyklus wird es genannt, wenn Immobilienpreise und Wohnkosten stark schwanken, weil einmal zu viel und dann wieder zu wenig investiert wird. Viele Jahre lang hat Österreich dank eines ausreichenden Wohnbaus dieses Phänomen vermieden und ist damit auch den Immobilienblasen entkommen, die anderswo die Finanzkrise gefördert haben.

Doch dies, so die Meinung der meisten Experten beim STANDARD-Wohnsymposium, droht sich jetzt zu ändern. Während die Nachfrage nach leistbarem Wohnraum zunimmt und die gemeinnützigen Bauträger immer längere Wartelisten für geförderte Wohnungen verzeichnen, sinkt die Zahl der errichteten Wohnungen - um rund 40 Prozent oder 5400 Mietwohnungen in den vergangenen zwei Jahren. Vor allem im Osten, mit der Ausnahme von Niederösterreich, sei der Rückgang akut, sagt Gemeinnützigen-Obmann Karl Wurm. Im Westen gebe es relative Konstanz. Schuld am Rückgang des Neubaus sei auch der Anstieg der thermischen Sanierung. Wenn nun die Fördermittel weiter gekürzt werden, dann drohe etwa in der Steiermark das totale Aus für den geförderten Wohnbau.

Zuwanderer und Singles

Regina Prehofer, Vizerektorin für Finanzen und Infrastruktur der Wirtschaftsuniversität Wien, und Manfred Katzenschlager, der Bundesgeschäftsführer der GS Bau in der Wirtschaftskammer Österreich, orten einen Bedarf von rund 50.000 Wohneinheiten pro Jahr und verweisen neben der Zuwanderung auch auf die wachsende Zahl von Single-Haushalten. Man sei kein Sieben-Millionen-Land mehr, die Bevölkerungszahl solle bis 2030 auf neun Millionen steigen, betonte Katzenschlager, und die Stadt Wien 2050 zwei Millionen Einwohner haben. "Angesichts dieses dramatischen Auseinanderklaffens von Bedarf und Angebot fordern wir Maßnahmen, um dieses Verhältnis wieder ins richtige Lot zu bringen", sagte der Wirtschaftskämmerer.

Eine Gegenstimme kam von Jörg Wippel, Geschäftsführer und Eigentümer der Wohnbaugesellschaft WVG. Er sieht dank der Erfolge der Wohnbauförderung eine Vollversorgung in Österreich: "Wenn wir den Finanzierungs- und Verwaltungsaufwand reduzieren können, mache ich mir um die Wohnbauförderung keine Sorgen."

Bei der Verwaltung sieht auch Prehofer großes Einsparpotenzial, vor allem durch eine Harmonisierung der Förderregeln und Bauordnungen der neun Bundesländer. Wohnbauförderung sei an sich ein effizientes Instrument, aber bei einer Zurückdrängung des Föderalismus "würde man mit knappen Mitteln mehr herausholen können."

Ähnlich argumentierte Bernhard Sommer von der Architektenkammer in seiner Wortmeldung: Flexiblere Gebäude mit Wohnungen, deren Größe verändert werden kann, und bessere Vergabeprozesse würden helfen, Geld im Wohnbau zu sparen. Dafür werde auch die Expertise der Architekten gebraucht. Und Josef Muchitsch, geschäftsführender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz sprach sich für einen gesunden Mix zwischen geförderten und frei finanziertem Wohnbau aus und auch - zur Überraschung mancher - für ein Überdenken des Mietrechts. "Wir sind gesprächsbereit hinsichtlich eines neuen Systems und auch bezüglich des Verhältnisses von Mieter und Vermieter. Reden wir darüber."

Die Wohnbauökonomin Margarete Czerny von der Donauuniversität Krems pries das Salzburger Modell des Wohnbaufonds, in das alle Fördergelder fließen. Damit sei die Zweckwidmung wiederhergestellt worden. "Die Länder dürfen die Wohnbaugelder nicht verspielen", sagte sie als Seitenhieb gegen den NÖ-Finanzlandesrat Wolfgang Sobotka, der anwesend war, "sondern sollen sie in den Wohnbaufonds stecken."

Modell mit Pensionskassen

Czerny verwies auch auf ein Reformmodell, das sie gemeinsam mit dem Generaldirektor der s Bausparkasse, Josef Schmidinger, ausgearbeitet hat. Ziel ist die Einbindung des Wohnbaubankensystems in die betriebliche und private Pensionsvorsorge. Czerny und Schmidinger verweisen auf zwei Problemgebiete: Die Wohnbaubanken, die einst Milliarden für den Wohnbau mobilisierten - 2008 etwa 2,5 Milliarden Euro - können immer weniger Anleihen platzieren, auch weil die Befreiung von der Kapitalertragssteuer bei niedrigen Zinsen nicht viel wert ist. Gleichzeitig haben die Pensionskassen wegen der Schwäche der Aktienmärkte die erhofften Renditen nicht gebracht. Mit Wohnbauanleihen, so Czerny, wären sie besser gefahren.

Eine Einführung einer Mindestquote von Wohnbauanleihen in den Veranlagungsvorschriften von Abfertigungskassen und Zukunftsvorsorgeprodukten würde langfristig stabile Renditen garantieren Bei Pensionskassen könne man eine solche Veranlagung hingegen nur empfehlen.

Czerny und Schmidinger sehen darin eine "Triple-Win-Situation": Mehr Mittel für den sozialen Wohnbau, stabile Erträge für die Pensionskassen und eine langfristige sichere Finanzierung von Zusatzpensionen. (Eric Frey, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.12.2012)