Die frei finanzierten Wohnanlagen in der Seestadt Aspern sollen hohe Lebensqualität, gute Verkehrsanbindungen und günstige Mieten verbinden.

Rendering: schreinerkastler/Wien 3420

Die Sozialbau AG zeigt vor, wie es geht.

Vor knapp einem Jahr präsentierte Wohnbau-Stadtrat Michael Ludwig (SP) seine Pläne zur Wiener Wohnbauinitiative. Der Call, der sich an Konsortien aus Finanzdienstleistern und Wohnbauträgern richtete, sollte damit den starken Rückgang der Wohnbaufördermittel im Jahr 2011 kompensieren. Der für die kommenden Jahre befürchtete Engpass am Wohnungsmarkt im Zuge der Fördermittelkürzung soll dadurch gar nicht erst aufkommen.

"Die Wohnungen, die im Rahmen der Wohnbauinitiative errichtet werden, sind nicht an die Förderwürdigkeit gebunden", sagte Ludwig damals in einem Interview. "Allerdings verpflichten sich die Bewerber durch die Teilnahme dazu, die Miethöhen für all jene Mieterinnen und Mieter, die in den ersten zehn Jahren einziehen, unbefristet dem geförderten Wohnbau anzupassen."

Gesagt, getan. Eines der ersten Projekte der Wohnbauinitiative befindet sich bereits in Entwicklung und soll schon Ende März dem Beirat zur Begutachtung vorgelegt werden. In der Seestadt Aspern, dem Vorzeige-Areal der Stadt Wien, errichten neun Bauträger in Zusammenarbeit mit 13 Architekten rund 1530 frei finanzierte Wohnungen. Seit kurzem liegen die Pläne auf dem Tisch.

Gemeinsamkeit aller Projekte: Die Errichtungskosten liegen bei rund 1280 Euro pro m². Zum Vergleich: Im geförderten Wohnbau wurde in den letzten Jahren deutlich mehr ausgegeben – manchmal sogar bis zu 1800 Euro pro m². Das Gesamtinvestitionsvolumen für die ersten 700 Wohnungen beläuft sich somit auf rund 90 Millionen Euro.

Zehn Prozent billiger

"Die Rahmenbedingungen sind sehr hart", erklärt Wilhelm Zechner, Vize-Generaldirektor der Sozialbau AG. Sie tritt im Kooperationsprogramm, das alle neun Bauträger gemeinsam aufgestellt und unterzeichnet haben, als Projektsteuerin auf. "Wir bauen um rund zehn Prozent billiger als im herkömmlichen geförderten Wohnbau. Das heißt, dass wir nicht umhinkommen, entsprechende Einsparungsmaßnahmen zu treffen."

Wo genau wird der Rotstift angesetzt? "Ganz allgemein kann man sagen, dass wir bei den meisten Projekten auf kontrollierte Be- und Entlüftung verzichten und stattdessen wieder die klassische mechanische Abluftanlage für Bad und WC vorsehen", so Zechner. Auch bei der Ausstattung und bei den Oberflächenmaterialien werde man auf günstige Produkte zurückgreifen müssen.

Letztendlich werden auch die Freibereiche etwas spärlicher möbliert und die Allgemeinbereiche im Haus nüchterner dimensioniert. Hier liegt ein hohes Einsparungspotenzial. "In den letzten Jahren haben wir Wohnbauten mit bis zu zwölf Prozent an Gemeinschaftsflächen im Verhältnis zur zinstragenden Fläche errichtet. Diese Zeiten sind vorbei. In der Seestadt Aspern wird der Quotient auf unter zehn Prozent fallen müssen", rechnet Zechner vor.

Fragt man bei den einzelnen Architekten nach, die mit der Sozialbau insgesamt vier Grundstücke bebauen, so fallen die Antworten zur Einsparung der Baukosten noch etwas differenzierter aus. "Das Wichtigste ist, Flächensynergien zu schaffen und sich zu überlegen, wie man bestimmte Räume doppelt nutzen kann", erklärt etwa Peter Scheifinger, zuständig für den Bauplatz J2 (in Zusammenarbeit mit Atelier 4 Architects).

Und nennt als Beispiel: "In der Seestadt Aspern gibt es kaum Geld für soziale Nebeneinrichtungen. Also muss man umdenken. Wir verzichten in unserem Projekt auf einen Großteil der Gemeinschaftsräume und sehen stattdessen im Stiegenhaus Zwischenpodeste vor, die 15 bis 20 Quadratmeter groß sind." In einem attraktiven Stiegenhaus, meint der Architekt, könne man genauso gut spielen wie in einem dafür vorgesehenen Gemeinschaftsraum. Wenn nicht sogar noch besser. Der finanzielle Mehraufwand dafür sei sehr gering. Auch ein begrünter Dachgarten ist vorgesehen. Scheifinger: "Bisschen mehr Humus aufs Dach, Zucchini und Radieschen einsetzen, und schon hat man eine billige, aber wertvolle Gemeinschaftsfläche."

Die anderen beteiligten Architekturbüros setzen auf kompakte Wohnungsgrundrisse sowie auf eine einfache, simple Gebäudegeometrie. "Im Prinzip bauen wir nur Regelgeschoßwohnungen mit einer statisch tragenden Mittelwand", erklärt Elmar Danner, Projektleiter bei Frank & Partner (Bauplatz J8). Ähnlich wie bei den alten Gründerzeithäusern. Dadurch sind wir mit den Wohnungsgrundrissen flexibel und können bis zur letzten Planungsphase frei reagieren." Auch spätere Veränderungen, Zusammenlegungen oder Wohnungstrennungen seien dadurch möglich.

Straff organisierte Grundrisse

Architekt Walter Stelzhammer (Bauplatz J9) setzt einen rigiden Achsraster ein, der sich von der Tiefgarage bis ins letzte Geschoß ohne Unterbrechung durchzieht. "Wenn man in den Kellergeschoßen das Geld für komplizierte statische Abfangungen ausgibt, dann ist es bereits gelaufen, dann holt man die Differenz nie wieder rein", so Stelzhammer. Und Christian Reischauer, Projektleiter im planenden Büro Projektbau (Bauplatz D5A), erklärt auf Anfrage des STANDARD: "Unsere Wohnungsgrundrisse sind straff organisiert, bei der Bauweise setzen wir auf Stahlbeton mit Vollwärmeschutz, und die teuren Fensterflächen sind auf das nötige Minimum reduziert."

Die Maßnahmen zur Kostenreduktion sind ambitioniert. Die ersten Bauvorhaben der Wiener Wohnbauinitiative zeigen, dass uns keine leichten Zeiten bevorstehen. Nach Jahren des Wohnbauwohlstands sind die gemeinnützigen Bauträger nun aufgefordert, einen Kompromiss zwischen hoher Qualität und niedrigen Kosten herzustellen. Das Gute daran: Die Bemühungen übertragen sich eins zu eins auf den Mieter. Mit Nettomieten zwischen 4,75 und 6,10 Euro pro m² – abhängig vom jeweiligen Barmittelanteil – sind die Wohnungen in der Seestadt Aspern günstiger als die meisten frei finanzierten Projekte am Markt, und teilweise sogar günstiger als so manch gefördertes Wohnobjekt.

"Eine Erhöhung des Mietzinses nach zehn Jahren ist nicht zu befürchten", sagt Bernd Rießland, Vorstandsmitglied der Sozialbau AG. "Wir arbeiten nach dem Kostendeckungsprinzip. Das heißt, die Miete kann nur so hoch sein wie die Rückzahlung für die Finanzierung." Außerdem sei die Seestadt Aspern in den nächsten Jahren sicher kein Ort, an dem man spekulativ hohe Mieten verlangen könne, so Rießland. "Hier geht es darum, leistbaren Wohnraum für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen zu schaffen. Nicht mehr und nicht weniger." (Wojciech Czaja, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.12.2012)