Ein verspäteter politischer Aschermittwoch ohne Hering, Bier und Schenkelklopfer: Hunderte Genossen hörten am Dienstagabend im Wiener Gasometer einen Bürgermeister, der nicht in Topform war.

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Wien - Schon der freundliche junge Mann im roten Poloshirt am Eingang der Veranstaltungshalle im Gasometer ließ keinen Zweifel daran, worum es am Dienstagabend dort ging. "Freundschaft, Freundschaft, Freundschaft" - so ging sein Begrüßungs-Stakkato für die mehreren hundert Genossen, die zur großen Mitgliederveranstaltung nach Simmering gekommen waren. "Michael Häupl spricht Klartext", hatte ihnen die Landespartei auf der Einladung versprochen.

Und das scheint höchst an der Zeit zu sein. Bei einer groß angelegten Befragung im vergangenen Jahr äußerten die Parteimitglieder einiges an Unzufriedenheit, vor allem das Thema Zuwanderung droht die Partei zu zerreißen. 25 Prozent jener, die an der Befragung teilgenommen haben, sind mit der Politik der SP in dieser Frage nicht zufrieden - die eine Hälfte findet, die Stadtregierung täte zu wenig für Migranten, die andere Hälfte ortet zu viel Einsatz für Neo-Wiener.

Zurück ins Gasometer. Nach zwei kurzen Videokonferenzen ("Freundschaft" aus Floridsdorf, "Freundschaft" aus Erdberg) folgte auch schon der Hauptact des Abends, also der Bürgermeister samt versprochenem Klartext. Doch Häupl, eigentlich ein guter Redner, war nicht in Topform. Eine Spitze gegen die Wiener VP ("Die kann man leicht führen, die paar Leute trifft man ja alle im Wirtshaus"), einige Ansagen in Richtung der blauen "Führerpartei", mit der die SP in Wien vor allem um Wähler konkurriert. Seinen Wiener Koalitionspartner, die Grünen, ließ Häupl geflissentlich außen vor, im Gegensatz zur roten Bundespartei: Die müsse verdeutlichen, dass es an der Volkspartei liege, dass "die Reichen beim Sparpaket großteils ungeschoren davongekommen sind". Fast klang das wie ein verspäteter politischer Aschermittwoch, nur ohne Hering und Bier und echte Schenkelklopfer.

Erst nach einer Weile wandte sich Häupl dem eigentlichen Thema des Abends zu: seinen Lehren aus der Mitgliederbefragung. Die Wiener SP sei nämlich "kein monolitischer Block, auch wenn das gerne so dargestellt wird". Rücksicht und Respekt sind für Häupl die Säulen für das Zusammenleben in Wien, Menschen-, Frauen- und Kinderrechte nicht verhandelbar - so weit, so bekannt. Und dann berichtete der Bürgermeister noch, dass der Landesparteivorstand fünf Arbeitsgruppen eingesetzt habe, etwa um junge Menschen zur Arbeit in der Partei zu motivieren, oder um die Kommunikation nach innen und nach außen zu verbessern.

Die Genossen applaudierten freundlich, aber ohne Euphorie. Fast wie zum Trost gab's am Schluss für alle eine rote Nelke. (DER STANDARD Printausgabe, 29.2.2012)