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Alles deutet darauf hin, dass der sozialistische Kandidat am 6. Mai zum Präsidenten der Republik gewählt wird. Dennoch - irgendwo zwischen Schizophrenie und „Normalität" - kann es sein , dass "François'" Haupthindernis "Hollande" ist.

22. Januar 2012 in Le Bourget, einem Vorort von Paris: François Hollande hat soeben vor 25.000 Leuten seine erste Wahlkampfveranstaltung abgehalten. Unter den aufmunternden Anhängern tummeln sich französische Kultur (Benjamin Biolay, Gérard Darmon, Yannick Noah ...) und, in der ersten Reihe, "die linke Familie", anlässlich der großen Messe endlich vereint. Ségolène Royal, Martine Aubry, Arnaud Montebourg und die anderen in Ekstase, hinweggetragen von einer Rede, die der größte Teil der Medien des Landes als Erfolg bezeichnet. Das war super.

Am Rednerpult überzeugend, im Fernsehen nicht

Leider ist François Hollande nicht Superman. Und er bleibt auch nicht so lange in der Luft. Weil er normal ist und auch darauf aus, es zu bleiben. Das hat er laut und deutlich vor seiner Investitur bei der Vorwahl der Sozialisten betont. Das Problem: In Frankreich kann man nicht Präsident der Republik werden, wenn man normal ist. Das steht in Artikel 16 der Verfassung: Der Staatschef verfügt über außergewöhnliche Machtbefugnisse. Letztendlich kann man im 21. Jahrhundert auch nicht normal sein und danach streben, das Renteneintrittsalter bei 60 Jahren zu halten.

Es ist so als ob der Puls seiner Glaubwürdigkeit an der Spitze des Staates von großen Zeremonien abhängen würde. Das gilt für die Zeremonie von Le Bourget, es galt auch für die sozialistische Vorwahl im vergangenen Oktober. Und zwischen den beiden? Fast nichts. Wenn Hollande in der Haut eines normalen Kandidaten die Fernsehbühnen besteigt, kehrt jedes Mal ein wenig Schlaffheit zurück. Wenn François auf die Bühne tritt, triumphiert ein Zoon politikon.

Aber wie viele Heilige Messen bleiben dem normalen Kandidaten noch, zwei Monate vor der heiligen Wahl? Nur eine: Der erste Wahlgang der présidentielles am 22. April. Bisher profitiert Hollande von einem komfortablen Vorsprung in den Umfragen. Aber diese zeigen auch, dass er zwei Punkte in der Wahlabsicht gewinnt, wenn er am Rednerpult steht - nach einer politischen Fernsehsendung verliert er davon drei. Sicher ist, dass es weniger als 70 Tage vor der Wahl weniger Rednerpulte als Fernsehbühnen geben wird. Und er wird auch einen Gegner haben: Der scheidende Präsident, Nicolas Sarkozy, hat am 15. Februar offiziell seine Kandidatur verkündet und seine erste Wahlkampfkundgebung drei Tage danach abgehalten. Beim nächsten TV-Auftritt wird Hollande nicht mehr allein sein.

Mister François und Doktor Hollande

Falls das Match zwischen Hollande und Sarkozy tatsächlich stattfindet, hat es trotzdem den Anschein, als wäre der größte Feind des Sozialisten er selbst. Die Wahlabsichten der Franzosen werden tatsächlich von der medialen Darbietung des Kandidaten abhängen. François Hollande muss also aufhören, schizophren zu sein. Wenn er im Privatleben ein lustiger Typ ist, sollte er das auch in der Öffentlichkeit sein. Wenn er am Rednerpult wortgewandt ist, sollte er das auch am Diskussionstisch der Fernsehnachrichten sein.

Eine Wahl ist kein Sprint, sondern ein Langstreckenlauf. Um in einem schwierigen Wahlkampf Ausdauer zu beweisen, reicht es aus, sich selbst treu zu bleiben und nicht abwechselnd normal oder als Superman in Erscheinung zu treten. Für François Hollande hängt es davon ab, uns zu zeigen, dass er wirklich Lust hat, diese Wahl zu gewinnen. Denn der Blick in den Rückspiegel der Geschichte zeigt, dass Normalität verliert - ein gewisses Maß an "außergewöhnlich" gehört zur Jobbeschreibung eines französischen Präsidenten dazu. (Matthieu Amaré, derStandard.at, 1.3.2012) Übersetzung aus dem Französischen.