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Werner Amon studierte und arbeitete an der Ausbildungsstätte, die durch sein Mitwirken als Parlamentarier zur ersten österreichischen Privatuniversität wurde. Unvereinbar? Für den ÖVP-Bildungssprecher nicht.

Fotos: Standard/Hendrich APA/Gindl

Wertlose Ehrendoktorate: Die IMADEC vergab mehrere Ehren-Doktortitel an Prominente wie Arnold Schwarzenegger, Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky und Ex-EZB-Präsident Wim Duisenberg. Allerdings stellte der Verwaltungsgerichtshof später fest, dass Privatuniversitäten nur ermächtigt sind, an die Absolventen der an ihr durchgeführten Studien akademische Grade zu verleihen.

Foto: IMADEC University

Im Jahr 2000 war Werner Amon ein vielbeschäftigter Mann: Er war Obmann der JVP, ÖVP-Bildungssprecher und Nationalratsabgeordneter, außerdem absolvierte er auf dem zweiten Bildungsweg ein Studium zum Master of Business Administration. Als ob das nicht schon zeitraubend genug wäre, jobbte Amon parallel auch an seiner "Alma Mater", der Wiener IMADEC. Ein Jahr später war diese die erste österreichische Privatuniversität für Recht und Management. 

Grünewald: "Ein Fall von Unvereinbarkeit"

Fakt ist, dass Werner Amon zeitgleich zu seinem beruflichen und studentischen Engagement an der IMADEC auch Mitglied des Wissenschaftsausschusses und Bildungssprecher der ÖVP war. Genau zu dieser Zeit passierte das Privatuniversitätengesetz, das die Akkreditierung von Privatuniversitäten in Österreich erlaubte, in seiner endgültigen Fassung das Parlament. Es war die Anfangszeit der schwarz-blauen Regierung unter Wolfgang Schüssel, dessen Credo "Mehr Privat, weniger Staat" nun auch im Bildungsbereich umgesetzt werden sollte.

Kann jemand im Nationalrat über ein Gesetz beraten, das seinen Arbeitgeber und seine Ausbildungsstätte betrifft? Für Kurt Grünewald, Wissenschaftssprecher der Grünen, ist es "eine schiefe Optik, wenn dort Privatuniversitäten auf der Tagesordnung stehen", er würde das für "einen Fall von Unvereinbarkeit" halten.

Amon sieht darin naturgemäß keinen Widerspruch: "Dieser Vorwurf geht völlig ins Leere, da ja sonst auch Universitätsprofessoren, -assistenten und Studenten staatlicher Universitäten nicht über den Entwurf hätten diskutieren dürfen." Doch diskutiert Amon im Ausschuss als Bildungssprecher der ÖVP und Nationalrat oder als Student und Angestellter der IMADEC? Deren Rektor Christian Joksch hält es zumindest "für gewagt, wenn man das Studium in Kombination mit der politischen Arbeit als Lobbying bezeichnen möchte". Joksch erklärt weiters: "Soviel mir bekannt, war er zu dieser Zeit nicht im Nationalrat tätig und hat als Student der IMADEC gute Leistungen erbracht." In seinem Lebenslauf gibt Amon an, in den Jahren 2000 und 2001 für die IMADEC gearbeitet zu haben. Im Parlament war Amon seit 28. Februar 2000, davor war er schon bis 28. Oktober 1999 Nationalratsabgeordneter - die Pause erklärt sich durch die Regierungsbildung des Kabinetts Schüssel I.

Amon: Deklarieren der Tätigkeit im Ausschuss "nicht erforderlich"

Pikant ist, dass sich sowohl Grünewald, schon damals für die Grünen im Wissenschaftsausschuss, als auch dessen SPÖ-Kollege Erwin Niederwieser nicht daran erinnern können, zu diesem Zeitpunkt gewusst zu haben, dass Amon auch für die IMADEC arbeitet. Ein im Jahr 2000 publizierter Artikel des Magazins "News" zeigt, dass Amon seine Tätigkeit an der IMADEC damals dem Parlament nicht als Nebentätigkeit gemeldet hatte - bei einem Gehalt von rund 14.000 Schilling pro Jahr hätte dies aber passieren müssen. Amon gibt übrigens in seiner Biografie an, Director of Resource Development gewesen zu sein.

Im Zentrum seiner Tätigkeit seien, so Amon gegenüber derStandard.at, "die Unternehmensentwicklung im Hinblick auf die Struktur und Gesellschaftsform der IMADEC als auch die strukturelle Vorbereitung neuer Studienlehrgänge" gestanden. Auf die Nachfrage, wie viel Amon an der IMADEC verdient habe, bleibt eine Antwort des ÖVP-Bildungssprechers aus.

Amon meint heute, dass es "nicht erforderlich" gewesen sei, den Wissenschaftsausschuss über diese Tätigkeit zu informieren, da sie "allgemein bekannt war". Bekannt sei zumindest gewesen, dass Amon über gute Kontakte zu IMADEC-Rektor Joksch verfügte und dort studierte, meint Erwin Niederwieser und ergänzt: "Es war deutlich, dass diese Sache Amon sehr wichtig war."

Unter den Studierenden tummelt sich die schwarz-blaue Prominenz

Amon war allerdings nicht der einzige österreichische Politiker, der die IMADEC unterstützt hat. Die damalige FPÖ-Mandatarin Silvia Paphazy, ebenfalls Mitglied des Wissenschaftsausschusses, war laut einem Bericht der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit" angeblich mit Rektor Joksch liiert. Auf derStandard.at-Nachfrage dementiert Joksch das: "Es gab nie eine Lebensgemeinschaft mit Frau Paphazy. Ansonsten möchte ich mein Privatleben privat halten." Auch Paphazy hatte das MBA-Programm an der IMADEC absolviert. In der Riege prominenter Studierender befinden sich weiters Gerry Mikscha, Privatsekretär von Jörg Haider und Ralph Vallon, im Jahr 2000 Kommunikationsmanager der FPÖ. Theresia Zierler, ORF-Journalistin und 2000 Generalsekretärin der FPÖ, hat einige Lehraufträge ausgeführt. Als ÖVP-nahe gilt Karl Habsburg, der auch an der IMADEC ausgebildet wurde. Erster "Ehrenbürger" der IMADEC war der ehemalige zweite Nationalratspräsident Heinrich Neisser (ÖVP).

Berühmtester Student war jedoch kein österreichischer Politiker, sondern Gaddafi-Spross Saif, durch dessen Studienaufenthalt in Wien die berüchtigte Verbindung zwischen Muammar al-Gaddafi und Jörg Haider zustande kam. Im März 2011 veröffentlichte das Nachrichtenmagazin "profil" den Prüfungsbogen eines Tests, den Gaddafi an der IMADEC absolviert hatte - laut "profil" fanden sich darauf Anmerkungen des Professors wie "nach dem Test hinzugefügt" und "Da musste ich helfen". Gaddafi sei, so das Magazin, mit A-/B+, also einem guten Erfolg, benotet worden.

Die Akkreditierung verzögert sich

Zurück in die Vergangenheit: In den Jahren 1999 wird das Privatuniversitätengesetz beschlossen, 2000 erhält es seine vorerst endgültige Fassung. Silvia Paphazy hat zu diesem Zeitpunkt bereits ihre Ausbildung an der IMADEC beendet, Amon studiert gerade an der California State University in Hayward, die eine Partnerschaft mit der IMADEC hält. Kurz zuvor, am 16. Juli 1999, verordnete der damalige Wissenschaftsminister Caspar Einem (SPÖ), dass die Imadec International Business School Ges.m.b.H. nun "Lehrgänge universitären Charakters" mit dem Abschluss MBA verleihen darf. Die Weichen für eine Akkreditierung der IMADEC als Privatuniversität scheinen gestellt zu sein. Doch der neu geschaffene Akkreditierungsrat, der als unabhängiges Gremium die Akkreditierungen prüfen soll, erweist sich als widerspenstig. Besonders mit zeitlichem Abstand lesen sich die Vorgänge rund um die Akkreditierung der IMADEC wie ein Krimi.

Im ersten Anlauf schafft es nur die Katholisch-Theologische Hochschule in Linz, akkreditiert zu werden. Die Entscheidung über die IMADEC und drei andere Kandidaten wird verzögert. Paphazy bezeichnet den Akkreditierungsrat als "rücktrittsreif", Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP) ist "etwas enttäuscht". Grünewald erinnert sich, dass "der Akkreditierungsrat unter ministeriellem Druck gestanden hat". Doch dieser bleibt stur. Die IMADEC ruft den Verwaltungsgerichtshof an, der den Ball ans Ministerium zurückspielt. Niederwieser spricht von "plumpem parteipolitischem Lobbying" durch Amon und Paphazy. Nach einigem Hin und Her wird die IMADEC am 31. Oktober 2000 für den Zeitraum von fünf Jahren als Privatuniversität zugelassen.

Niederwieser: "Viel angekündigt, wenig eingehalten"

Nun ist Rektor Joksch am vorläufigen Höhepunkt seiner Karriere. "Man hatte damals im Ausschuss das dumpfe Gefühl, dass man auf der IMADEC relativ leicht zu Titeln kam", erinnert sich Grünewald. Erwin Niederwieser, damals mit der SPÖ in Opposition, ergänzt: "Es kamen Meldungen aus der IMADEC, dass vieles angekündigt, aber nicht eingehalten wird. Dies wurde im Ausschuss erzählt, wir haben versucht, das nachzuverfolgen." Der ehemalige SPÖ-Wissenschaftssprecher meint: "Dass die Regierungsparteien ÖVP und FPÖ waren, hat die Akkreditierung für die IMADEC sicher erleichtert und ihre Lebensdauer verlängert."

IMADEC-Rektor Joksch begegnet Vorwürfen bezüglich mangelnder akademischer Qualität mit einem Verweis auf die Partneruniversitäten der IMADEC wie die University of Austin: "Unsere akademischen Standards orientieren sich an diesem Niveau."

Keine Privatuniversität mehr aufgrund von Mängeln

2006 wird eine Verlängerung der Akkreditierung abgelehnt, da "binnen weniger Tage die Spielregeln verändert wurden": So erklärt sich zumindest Rektor Joksch das Ausbleiben der Lizenzverlängerung. Die ehemaligen Studenten zeigen sich entsetzt: "Nicht nachvollziehbar" nennt Werner Amon die Entscheidung, für Paphazy ist es "ein unfassbarer Rückschritt im österreichischen Universitätswesen".

Warum beurteilen blau-schwarze Bildungspolitiker die Situation derart anders als ein neutraler, unabhängiger Akkreditierungsrat? Elisabeth Fiorili vom Akkreditierungsrat erklärt auf derStandard.at-Anfrage: "Die neuerliche Akkreditierung der IMADEC wurde vom Akkreditierungsrat aufgrund verschiedener Mängel nicht genehmigt. Aufgrund der Amtsverschwiegenheit kann ich auf die Gründe im Einzelnen nicht eingehen. Betroffen waren jedoch sowohl die Personalstruktur, die Organisations- und Entscheidungsstrukturen, das Qualitätssicherungssystem sowie die mittelfristige finanzielle Sicherung, die nicht ausreichend nachgewiesen werden konnten."

Eine der letzten Amtshandlungen Gehrers betrifft die IMADEC

In einer ihrer letzten Amtshandlungen als Unterrichtsministerin genehmigt Elisabeth Gehrer der IMADEC, bis 2010 "Lehrgänge universitären Charakters" anzubieten - was die IMADEC bis heute tut. Die Grünen thematisieren diesen Vorgang nun in einer parlamentarischen Anfrage und hinterfragen die Vorgänge rund um diese Lizenzierung.

Um die IMADEC, die nun als Anbieter dieser "Lehrgänge universitären Charakters" etwa dem WIFI gleichgestellt ist, wird es nach Verlust der Akkreditierung still. In die Schlagzeilen schafft sie es allein durch die libysche Revolution und ein Konkursverfahren, das gegen sie eröffnet wird. So wird die IMADEC Executive Education GmbH laut Firmenbuch im Juni 2010 infolge eines Konkursverfahrens aufgelöst. 

Rektor bemängelt fehlende Unterstützung durch den Staat

Fast vier Monate später, Ende September, beschließt die Generalversammlung die Fortsetzung der Gesellschaft. Die Gläubiger sollen bis August 2012 abbezahlt werden. Die Lizenz für "Lehrgänge universitären Charakters" wurde davor vom Wissenschaftsministerium bis 2012 verlängert. "Selbstverständlich geht es weiter, wir zahlen 100 Prozent an unsere Gläubiger", ist sich Rektor Joksch auf derStandard.at-Anfrage sicher. Er bemängelt eine fehlende Unterstützung des Staates: "Es ist allgemein bekannt, dass man das jetzige System unbedingt beibehalten möchte. Solange man bei dieser Haltung bleibt, wird es schwierig für echte Privatuniversitäten wie uns."

Tatsächlich ist es so, dass "Privatuniversität" nicht gleich "Privat"-Universität bedeutet. So wird ein Großteil der als Privatuniversität deklarierten Bildungsinstitute von den Bundesländern getragen, hinter anderen steht beispielsweise die Wirtschaftskammer. Faktisch von Privatpersonen gegründete Universitäten sind in der Minderzahl.

Aufhebung des Finanzierungsverbots für Privatuniversitäten?

Es gab allerdings durchaus Überlegungen der Politik, private Universitäten staatlich zu unterstützen. Kurt Grünewald berichtet davon, dass vor nicht allzu langer Zeit die jetzige ÖVP-Wissenschaftssprecherin Katharina Cortolezis-Schlager in sein Büro kam, um über eine Aufhebung des Finanzierungsverbots des Bundes für Privatuniversitäten zu sprechen. Diese sollten gefördert werden, um die staatlichen Hochschulen zu entlasten. Grünewald ließ sie abblitzen: "Ich hielt dies angesichts der Budgetknappheit staatlicher Universitäten für eine Provokation." Cortolezis-Schlager bestätigt das auf derStandard.at-Anfrage, meint jedoch, dass sie mit der jetzigen Regelung zufrieden sei: "Das Gespräch mit Grünewald war, bevor wir die Einwerbung der Privatuniversitäten mit Drittmitteln beschlossen haben, daher hat sich das nun erledigt."

ÖVP-Bildungssprecher Werner Amon spricht sich heute gegen Überlegungen in Richtung staatlicher Unterstützung für Privatuniversitäten aus. Von der IMADEC distanziert er sich und sagt, dass er nicht mehr in Kontakt mit seiner Ausbildungsstätte und deren Rektor stehe.

Die IMADEC selbst plant nicht, um eine erneute Akkreditierung anzusuchen. Grund dafür sei laut Joksch, dass "die vom österreichischen Staat vorgegebenen gesetzlichen Rahmenbedingungen vom Akkreditierungsrat willkürlich ausgelegt wurden und werden". Weitergehen werde es trotzdem: "Nur weil die österreichische Politik andere Gesetze bastelt, heißt das nicht, dass wir den Markt verlassen werden." (Fabian Schmid, derStandard.at, 5.3.2012)