Backwerk ist hier bisher nicht vorgekommen. Der einfache Grund ist, dass ich nicht sehr gut darin bin, es zu machen. Mein Back-Horizont etwa beginnt und endet bei der Tarte - was insofern nicht ganz so schlimm ist, als sich ein Großteil der essbaren Flora und gar nicht so wenig Fauna auf ihr genießen lässt.

Weil Erstere gerade zu sprießen beginnt, kann es nicht schaden, den Tarte-Teig wieder auszupacken und zu üben - mit einer Tarte Tatin und einer der wenigen heimischen Obstsorten, die derzeit zu bekommen sind, den Äpfeln.

Allein, nur auf sich gestellt, gehört der Apfel meiner Meinung nach eher zum überschätzten Obst. Er wird überproportional oft gegessen, deutlich öfter, als es sein Geschmack rechtfertigt. Die mindestens ebenso gute Birne etwa wird viel seltener verspeist.

Der Apfel zeigt sein Potenzial erst als Teamplayer: Butter, Karamell und Mürbteig etwa sind wie dafür geschaffen, mit Äpfeln zu einem Ganzen zusammengefügt zu werden. Weil aber die Natur versäumt hat, das von sich aus zu tun, hat der Mensch die Tarte Tatin ersonnen. Zugegeben, es gibt hübschere Tartes - aber wenige bessere.

Der richtige Mürbteig (Pâte Brisée, sagt der Franzose) ist bei allen Tartes für den Genuss essenziell. Ich habe mehrere Rezepte ausprobiert, bin aber immer noch ein großer Fan jener Variante aus dem Lehrbuch des hier schon öfter zitierten French Culinary Institute. Unabhängig vom Rezept gibt es zwei Grundregeln:

1. Der Teig darf nicht zu viel geknetet werden, weil sich sonst zu viel Gluten bildet. Es ist jener Kleber, der dem Teig Festigkeit verleiht und der entsteht, wenn Mehl auf Wasser trifft. Je mehr der Teig bearbeitet wird, deso mehr Kleber entsteht, das Ergebnis wird elastisch und beim Backen hart und schrumpft.

Zitronensaft und kaltes Wasser helfen, das Gluten unter Kontrolle zu halten. Weil Temperatur so entscheidend ist, arbeiten Profis auf kalten Marmorplatten, billiger und ebenfalls effizient ist es, Eiswürfel ins Wasser zu kippen.

2. Auch die Butter sollte kalt sein, damit sie, wenn ich das richtig verstanden haben, die Gluten-Partikel gut umschließt und nicht zu früh ins Mehl schmilzt. Weil sie sich beim händischen Kneten schnell erwärmt, hackt man sie mit einem Teigschaber in kleine Stücke, bevor man den Teig knetet. Es braucht dann nur einige wenige Drücker, um ihn zu formen.



Für die Äpfel empfiehlt sich eine Sorte mit nicht zu hohem Wassergehalt, die beim Garen ihre Form behält und nicht zu Matsch zerfällt - etwa Granny Smith oder Golden Delicious. Derzeit sind aber sowieso nur mehr spätreife Varianten zu bekommen, die Qual der Wahl erübrigt sich daher.

Es braucht erstaunlich viele Äpfel für die Tarte, und wenn man zu wenige hat, entstehen unschöne Lücken. Mit zwei bis drei Kilo sollte man rechnen.

Tarte Tatin wird nicht in einer Tarte-Form, sondern einer Pfanne gebacken. Das Pfannenfachgeschäft bietet für Liebhaber eigene Tarte-Tatin-Pfannen an, wer so etwas für übertrieben hält, greift zur gemeinen Bratpfanne.

Wichtig ist nur, dass sie einen hohen Rand hat, weil die Karamell-Butter-Apfelsaft-Mischung ziemlich hochkocht, und dass ihr Boden einigermaßen dick ist, so dass sie gleichmäßig heiß wird. Ich nehme eine Pfanne mit 25 Zentimeter Durchmesser, wer eine wesentlich größere nimmt, muss die Zucker-, Butter- und Apfelmengen entsprechend anpassen. Der Teig reicht mit den Angaben hier locker auch für 30 Zentimeter.

Das Internet und die Kochbücher sind voll mit Tarte-Tatin-Rezepten, dieses hier stammt - bis auf den Teig - aus Thomas Kellers "Bouchon".

Tarte Tatin

Ich beschreibe den Prozess hier für Leute wie mich, die keine Küchenmaschine haben und ihren Teig mit der Hand basteln.

200 Gramm Mehl und eine Prise Salz idealerweise auf eine Marmorplatte sieben, 100 Gramm kalte Butter in Stücke schneiden und im Mehlhaufen mit dem Teigschaber klein hacken.


Eine Mulde darin formen, 60 Milliliter (etwa ein halbes Achtel-Liter-Glas) eiskalten Wassers hineingießen und mit möglichst wenigen Handgriffen zu einem Teig kneten.

Es dürfen keine Butterstückchen mehr zu sehen sein, notfalls die Teigteile mit solchen Brocken mit dem Handballen gegen die Platte pressen. (Plan für die nächste Tarte: Schmalz statt Butter nehmen. Hat wer Erfahrung?)

Zu einer Scheibe formen, in Frischhaltefolie wickeln und mindestens eine halbe Stunde im Kühlschrank rasten lassen, besser noch 24 Stunden warten. Das Gluten soll Zeit bekommen, sich zu beruhigen. Dann auf einer gemehlten Fläche auf die gewünschte Größe ausrollen und kleine Löcher mit einer Gabel hineinstechen, damit der Teig beim Backen nicht zu sehr Blasen wirft. Erneut im Kühlschrank mindestens eine halbe Stunde rasten lassen.



Die Äpfel schälen, oben und unten flach abschneiden, halbieren, entkernen und die Hälften nochmals teilen, so dass man Apfelviertel hat, die in der Pfanne stehen bleiben. Etwa 200 Gramm Zucker in eine Pfanne mit 25 Zentimeter Durchmesser kippen.

30 Gramm Butter in mehrere Stücke geschnitten gleichmäßig darauf verteilen. Die Äpfel in einem Kreis in der Pfanne anordnen (siehe Foto), in den großen Kreis einen kleinen setzen und in die Mitte ebenfalls noch einige Stücke hineinquetschen, so dass die Pfanne möglichst voll ist.

Die Pfanne auf mittlere Hitze setzen. Der Zucker und die Butter schmelzen zu Karamell, die Flüssigkeit kocht aus den Äpfeln heraus. Das Ganze riecht herrlich und dauert etwa 45 Minuten bis eine Stunde.

Die Äpfel werden kontinuierlich schrumpfen, immer, wenn Platz in der Pfanne ist, einfach die alten etwas zusammenschieben und neue Apfelstücke hineinstecken. Wenn ein paar Stücke zerfallen, ist das völlig wurscht, es bleibt sowieso nicht allzu viel von ihrer alten Struktur erhalten.

Während des Kochens die gesamte Apfelmasse in der Pfanne immer wieder ein Stückchen drehen, damit nichts anbrennt. Am Anfang geht das leicht, man drückt einfache mit der Hand auf die Apfelfläche, hält die Pfanne fest und schiebt die Äpfel.

Später einen Teller auf die Äpfel legen und drehen. Wichtig ist, dass das Karamell nicht zu dunkel und bitter wird, aber auch nicht zu hell bleibt, während des Kochens daher immer auf die Farbentwicklung achten.

Ein sattes Bernsteinbraun ist das Ziel. Sollte die Tarte doch etwas anbrennen, ist das auch keine Katastrophe, die verbrannten Stellen lassen sich mit etwas Geduld nach dem Backen mit einem Messer entfernen, ohne dass die Optik allzu sehr leidet.

Wenn das Karamell die gewünschte Farbe hat, den Teig aus dem Kühlschrank nehmen und über die Äpfel legen. Rundherum etwas nach unten drücken, so dass er wie eine umgedrehte Schüssel über den Äpfeln liegt.

Überschüssigen Teig abschneiden, aber lieber etwas zu viel dranlassen bzw. ihn ein Stückchen tiefer in die Pfanne drücken. Es ist erfahrungsgemäß unpraktisch und hässlich, wenn das Apfeltopping größer ist als die Teigschüssel.
Im vorgeheizten Backrohr bei 180 Grad etwa 40 Minuten backen, bis der Teig goldbraun ist. Herausnehmen und mindestens 15 Minuten, höchstens 30 Minuten stehen lassen, so dass die Äpfel das Karamell aufsaugen.

Steht die Tarte aber zu lange, bleibt sie an der Pfanne kleben. Einen Teller auf die Äpfel legen und die Pfanne wenden. Die Tarte am besten noch warm (oder zumindest aufgewärmt) servieren. Die frisch eröffneten Eissalons stellen den idealen Tarte-Begleiter. (Tobias Müller, derStandard.at, 25.3.2012)