Europas konservative Regierungschefs sehen ihre politische Übermacht in Europa davonschwimmen. Anders ist die seltsame Verschwörungsaktion von Kanzlerin Angela Merkel mit dem Briten David Cameron, dem Spanier Mariano Rajoy und Italiens Mario Monti nicht zu erklären. Sie wollen den sozialistischen Präsidentschaftskandidaten François Hollande nicht empfangen, wie das bisher üblich war. Dem taumelnden Staatschef Nicolas Sarkozy soll so im Wahlkampf der Rücken gestärkt werden.

Durchsichtiger geht's kaum. Der Schuss geht nach hinten los. Bessere Wahlkampfhilfe kann die Kanzlerin für Hollande nicht leisten, zu dessen Programm die Forderung nach Neuverhandlung des von Merkel diktierten EU-Fiskalsparpaktes gehört. Die Franzosen sind die leeren Versprechungen und Unterwerfungsgesten Sarkozys leid. Schon gar nicht will sich eine große Mehrheit ausgerechnet von Berlin diktieren lassen, wer Präsident wird.

Dass Merkel sich auf Cameron stützt (der sie beim Euro ständig auflaufen lässt) und auf Rajoy (der gerade ankündigte, das spanische Defizit zu sprengen), zeigt, wie sehr sie schwächelt. Die Kanzlerin ist nicht souverän, wenn sie Parteipolitik vor Staatsräson setzt. Den möglichen nächsten Präsidenten im wichtigsten Partnerland so zu missachten zeugt von einer seit Jahrzehnten nicht mehr gesehenen Instinktlosigkeit. Dafür wird sie bitter bezahlen, sollte Hollande im Juni in Berlin über den roten Teppich schreiten. (DER STANDARD Printausgabe, 5.3.2012)