Wien - Von November 2010 bis Ende 2011 ermittelte die Innsbrucker Staatsanwaltschaft gegen fünf Staatsanwälte im Entführungsfall Natascha Kampusch. Sie wurden des Amtsmissbrauchs verdächtigt, nachdem Johann Rzeszut, ehemaliger Präsident des Obersten Gerichtshofs (OGH) und Mitglied der "Kampusch-Evaluierungskommission", bei den Klubobleuten der Parlamentsparteien interveniert hatte. Nun liegt der Wiener Wochenzeitung "Falter" der geheime Abschlussbericht aus Innsbruck vor.

Die zuständige Staatsanwältin Gabriele Ginther-Schöll rechnet laut dem "Vorhabensbericht" mit Rzeszut und dem ebenfalls mit der Sache befassten Ex-Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs, Ludwig Adamovich, hart ab. Diese würden nur "Verschwörungen" verbreiten, die durch die Akten keine Deckung fänden.

"Bei Natascha Kampusch handelt es sich augenscheinlich in den Augen des Dr. Rzeszut nicht um ein maßstabsgerechtes Opfer, weil sie vom Täter nicht gänzlich zerstört wurde, sondern sich der Situation angepasst hat und sich nach außen hin stark gibt. Die Frage ist nur", so Ginther-Schöll, "ob das den Vorstellungen des Dr. Rzeszut gerecht werdende Opfer ein solches Schicksal überhaupt überlebt hätte."

Trotz Widersprüchen keine konkreten Hinweise

Zwar räumt die Staatsanwaltschaft Innsbruck laut "Falter" Widersprüche und einige "schwache Indizien" ein, dass der als Mittäter verdächtigte Freund Wolfgang Priklopils "in Zusammenhang mit der Entführung Kampuschs stehen könnte". Konkrete Hinweise würden allerdings fehlen.

Rzeszut, der eine bedingte "Freiwilligkeit der Gefangenschaft" Kampuschs annehme, "verhöhne" sie damit. Es sei "lebensfremd", wenn der Ex-OGH-Präsident die Todesangst des Entführungsopfers infrage stelle, obwohl dieses von "Schlägen, Essens-, Licht- und Ventilatorenentzug sowie von Fesseln mit Kabelbindern und Drohungen" berichtet habe.

"Spekulationen" und "phantastische Theorien"

Die Innsbrucker Staatsanwaltschaft kommt zu dem Ergebnis, dass es sich bei den Vorwürfen Rzeszuts und Adamovichs um "Spekulationen" und "phantastische Theorien" handelt.

Im Bericht wird auch der Chef der Wiener Oberstaatsanwaltschaft, Werner Pleischl, zitiert: "Wir können das Opfer nicht foltern, damit es das sagt, was manche hören wollen." Die Aussagen Natascha Kampuschs stützte vergangene Woche auch Sonderermittler Thomas Mühlbacher, einer der fünf verdächtigten Staatsanwälte, im derStandard.at-Interview. (red, derStandard.at, 6.3.2012)