Deutschland ist heuer "Country of Honour" bei der MIPIM in Cannes - und es präsentiert sich auf der wichtigsten Immobilienentwickler-Messe so, wie man das vom "Wachstumsmuskel Europas" (O-Ton der Frankfurter Oberbürgermeisterin Roth) wohl auch erwarten darf: Neben dem gemeinsamen Stand der Bundesregierung sind viele Landeshauptstädte und Bundesländer mit eigenen Ständen vertreten und verköstigen dort die vielen Messebesucher mit Bier und regionalen Köstlichkeiten wie Currwurst (Berlin), Weißwurst (München) oder auch Frankfurter (Frankfurt). Und während aus Österreich mit Matthias Stadler (wie berichtet) nur ein Bürgermeister in Cannes dabei ist, sind mit Petra Roth aus Frankfurt und Wolfgang Schuster aus Stuttgart gleich zwei deutsche Oberbürgermeister an die französische Riviera gereist, um Großprojekte ihrer Städte vorzustellen.
Stuttgart will Maßstäbe setzen
"Dynamisch, innovativ, nachhaltig" - so verkauft Schuster sein Erfindungs-reiches Stuttgart (hier werden deutschlandweit relativ zur Bevölkerungszahl die meisten Patente angemeldet), und unter diesem Motto steht auch das Großbauvorhaben "Europaviertel" in der baden-württembergischen Hauptstadt. Die Verlegung der Bahngleise in den Untergrund (Stichwort "Stuttgart 21") macht es möglich, dass hier innerstädtisch nicht gekleckert, sondern geklotzt wird: Eine Milliarde Euro soll in die Neubebauung des Areals des ehemaligen Güterbahnhofs nordöstlich der City fließen. Filetstück dabei ist ein Projekt namens "Milaneo". Dieses soll "Maßstäbe in Deutschland setzen", wie Jens Jäpel, Managing Director des deutschen Shoppingcenter-Entwicklers ECE, betonte.
"Milaneo" besteht aus drei eigenständigen Gebäuden, die durch transparente Brücken miteinander verbunden sind. Die ECE entwickelt hier auf zwei Stockwerken Einzelhandelsflächen mit insgesamt 43.000 Quadratmetern. Darüber baut die Bayerische Hausbau (und beide gemeinsam mit der Strabag) 400 Wohnungen. "Und das sind dann keine Wohnblöcke mehr, sondern schon fast Townhouses", erklärte Schuster nicht ohne Stolz am Messestand des Landes Baden-Württemberg (wo anschließend übrigens Wurstsalat serviert wurde). Über den Handelsgeschoßen werden nämlich "qualitativ hochwertige Innenstadt-Grünflächen" entstehen, quasi drei kleine Dörfer mit Anschluss an den öffentlichen Personennahverkehr.
Anrainer wählten Namen
Die Pläne für das Neubauprojekt existieren schon länger, bis vor kurzem lief es unter dem Namen "Quartier am Mailänder Platz". Per Online-Voting wurde ein neuer Name gesucht, als "Milaneo" hat das Projekt, das "vor drei Jahren praktisch schon tot war", wie ECE-Mann Jäpel bemerkte, nun auch schon eine Baugenehmigung, im Herbst 2014 soll es fertig sein.
Etwas länger wird es in Frankfurt dauern, um den neuen "Kulturcampus" aus dem Boden zu stampfen. Bis in zehn Jahren soll aber auch hier ein neues Stadtviertel entstehen - als Transformation des alten Campus-Geländes der Goethe-Universität hin zum Zentrum "für Musik und darstellende Kunst". Die einschlägige Hochschule will die Stadt hier ansiedeln, außerdem unter anderem die Junge Philharmonie und die Hessische Theaterakademie.
1.500 Wohnungen in der City
Oberbürgermeisterin Roth und Frank Junker, Geschäftsführer der stadteigenen Wohnbaugesellschaft ABG, präsentierten die Pläne für das 16,5 Hektar große Areal mitten in der Stadt. Rund 290.000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche sollen hier geschaffen werden. 40 Prozent davon sind für 1.500 Wohnungen vorgesehen, die ab acht Euro (gefördert) bzw. zwölf Euro (frei finanziert) zu haben sein werden, wie Junker ankündigte. Die restlichen 60 Prozent der Flächen werden die Kultureinrichtungen sowie Büros beherbergen.
Roth und Junker wollen den Kulturcampus auch als "grünen" Stadtteil etablieren. Der ABG-Chef kündigte an, hier "den Schritt vom Passiv- zum Aktivhaus" machen zu wollen, außerdem sind etwa Carsharing-Angebote für die Bewohner angedacht.
Sustainability im Fokus
Auch der Stuttgarter Oberbürgermeister Schuster, der wie seine Frankfurter Amtskollegin Roth der CDU angehört, gibt sich grün, was das Bauen betrifft; Stuttgart solle "nachhaltig" weiterentwickelt werden, betonte er. Ein zukünftiges Projekt im Neckarpark trägt den Namen "Young City" und hat CO2-freies Wohnen und CO2-freie Mobilität zum Ziel.
Generell wird auf der MIPIM gerne und viel über "Nachhaltigkeit" geredet; nahezu jedes Großprojekt schmückt sich schon mit diesem oder ähnlichen Schlagworten, ein verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen, Umwelt und Natur soll damit signalisiert werden. Auf die Messe selbst hat all das noch nicht abgefärbt: kein vernünftiges Verkehrskonzept, beheizte VIP-Terrassen und Zelte, nur zaghafte Versuche einer Mülltrennung bzw. -vermeidung; von einem Nachhaltigkeitskonzept, wie es etwa die "Greenbuild" in Nordamerika schon seit Jahren verfolgt, keine Spur.
Vielleicht bringt ja Joschka Fischer eines mit. Er hält am Donnerstag die "Keynote Address" zur globalen Wirtschaftsentwicklung und zur Zukunft des Euro. (Martin Putschögl aus Cannes, derStandard.at, 7.3.2012)