Bild nicht mehr verfügbar.

Johann Rzeszut (71) will die Akte Kampusch nicht schließen.

Foto: dapd

Eine ruhige Pension hat Johann Rzeszut nicht lange genießen können. Der sportliche Strafrechtler, der vergangenen Montag seinen 71. Geburtstag feierte, war 2006 als Präsident des Obersten Gerichtshofes (OGH) in den Ruhestand getreten. Zwei Jahre später wurde er in die Evaluierungskommission berufen, die im Auftrag des schwer unter Druck geratenen Innenministeriums Ermittlungspannen und Ungereimtheiten im Entführungsfall Natascha Kampusch prüfen sollte.

Und weil sich Johann Rzeszut noch nie ruhigstellen ließ, ist es seit damals auch mit seinem Ruhestand vorbei. Was der zweifache Familienvater in den zu prüfenden Geheimakten las, erschütterte sein Vertrauen in Polizei, Justiz und Politik derart, dass er unaufgefordert ein 25-seitiges Schreiben ans Parlament verfasste, in dem er schwere Vorwürfe gegen die Ermittlungsbehörden erhob. Die Sachverhaltsdarstellung endete mit den Worten "In 42 Justizdienstjahren habe ich Vergleichbares nicht erlebt" - und führte zu Ermittlungen gegen hochrangige Justizbeamte von Wien bis Graz.

"Verschwörungen und Spekulationen"

Aber auch die inzwischen dritte mit der Causa Natascha Kampusch befasste Staatsanwaltschaft, nämlich die in Innsbruck, stellte die Ermittlungen ein. Man könne den Behörden keine gravierenden Versäumnisse nachweisen, manche Detailfragen könnten nicht geklärt werden. Und es gebe keine Beweise dafür, dass der Entführer Wolfgang Priklopil Komplizen gehabt habe, lautet die Conclusio. Was sich mit den Aussagen von Natascha Kampusch selbst deckt.

Doch Johann Rzeszut bleibt dabei: Für ihn gibt es einfach zu viele offene Fragen. Dafür folgt nun die Retourkutsche aus der Justiz: Rzeszuts Behauptungen (und auch ähnlich formulierte Vorwürfe von Evaluierungsleiter Ludwig Adamovich) seien nichts als Verschwörungen, Spekulationen und "phantastische Theorien", heißt es im Abschlussbericht der Innsbrucker Staatsanwaltschaft. Tatsache ist, dass sowohl Rzeszut als auch Ex-VfGH-Präsident Adamovich bisher handfeste Beweise schuldig blieben. Was sie, wenn es in den Akten tatsächlich ebensolche geben sollte, wegen ihrer Verschwiegenheitspflicht aber auch müssen.

Johann Rzeszut mag sich dieser Tage vielleicht fragen, was geworden wäre, wenn er, wie in jungen Jahren geplant, Chemie studiert hätte. Andererseits hat er es immer als schöne Aufgabe gesehen, "als Richter Spannungen aus dem gesellschaftlichen Leben zu nehmen". (Michael Simoner, DER STANDARD-Printausgabe, 7.3.2012)