
Wenn Roboter vorne am Fließband Fehler bemerken, können Kollegen weiter hinten diese gleich aus bügeln. Die Produktion muss dafür nicht einmal angehalten werden - neue Befehle erteilt sich der Roboter innerhalb von Sekunden selbst.
Roboterarm statt Arbeiterhand. Die Automatisierung der Automobilindustrie ist längst abgeschlossen, möchte man meinen. Allerdings gehen mit der Thematik vertraute Experten zurzeit davon aus, dass diese und ähnliche Produktionsprozesse erst zu 15 Prozent durch die Robotik erschlossen sind. Rund sechsmal mehr Roboter als heute sollen in den nächsten Jahren zum Einsatz kommen.
"Das bringt neue Probleme mit sich: Irgendwer muss so viele Maschinen auch programmieren. An Computertechnikern mangelt es aber jetzt schon, und ihre Arbeit ist teuer", erklärt Christof Eberst, Geschäftsführer von Convergent Information Technologies. Mit dieser Softwarefirma folgt er bereits jetzt schrittweise der Vision, langfristig auch die Automatisierung zu automatisieren.
Intuition nicht wegzudenken
Programmieren sich Roboter in Zukunft vollkommen ohne fremde Hilfe, könnten menschliche Ressourcen tendenziell sogar besser genützt werden, meint Eberst. Zum einen wäre Experten-Know-how ohnehin zu wertvoll, um es am Fließband zur Befehligung von Robotern einzusetzen. Zum anderen blieben die Fähigkeiten der Arbeiter an der Bandstraße nach wie vor gefragt: "Menschen an der Linie kennen alle Produktionsprozesse ganz genau. Ihre Intuition und ihre Erfahrung sollen sie auch weiterhin einbringen. Etwa im Rahmen einer Initialprogrammierung, die dann allerdings so einfach ist, dass sie nicht von Computerspezialisten, sondern von Arbeitern vorgenommen wird", ergänzt Eberst.
Tatsache ist, dass die aktuelle Version der Covergent-IT-Software AutomAPPPS Roboter schon jetzt autonomer macht. Sie erlaubt es, Maschinen rund 500-mal schneller zu programmieren als bisher. Überdies wurden bereits Teilerfolge bei der Selbstprogrammierung erzielt: Erkennen Roboterzellen Fehler in der Produktion, veranlasst sie die Software, rechtzeitig "umzudenken" und innerhalb von Sekunden andere Jobs auszuführen.
Roboter, die auf neue Situationen reagieren können, darf man sich dabei in etwa so vorstellen: Ein Sensor überprüft den Lack von Autoteilen auf Mängel wie Einschlüsse oder Krater. Das System erfährt aber nicht nur, wo der Fehler zu suchen ist, sondern auch, um welche Art es sich handelt. In weiterer Folge informieren die Roboter am Anfang des Fließbands die Kollegen weiter hinten. Diese programmieren sich innerhalb von 90 Sekunden um und werden so zu Ausputzern für die Fehler anderer. Bei laufendem Betrieb können sie ganz gezielt Schäden im Lack beheben.
"Das ist unseres Wissens weltweit das einzige industrielle System, das reaktive Jobs planen und automatisieren kann, ohne dass die Karosse dafür angehalten werden muss", sagt Eberst. Auch aufgrund dieses radikal neuen Ansatzes wird die Forschungstätigkeit der Covergent-IT im Rahmen einer sogenannten Seed-Finanzierung durch die Förderbank Aus tria Wirtschaftsservice (AWS) unterstüzt. Im Jänner 2011 kam die Technologie erstmals bei einer Referenzinstallation zur Anwendung, heute ist sie mehrfach in Deutschland und in Finnland im Einsatz. Noch in diesem Sommer soll eine Erweiterung der Software auf den Markt kommen. Ihr Zweck ist es, die nach wie vor notwendige erste Programmierung eines Roboters auch kinderleicht zu machen.
Spielerisch Hinweise geben
Betatesterin ist die achtjährige Tochter von Eberst. Sie konnte einen Roboter mithilfe der Software innerhalb von nur acht Minuten spielerisch programmieren. "Üblich sind bei der manuellen Programmierung Zeiten zwischen zwei und vier Stunden - wohlgemerkt, wenn sie von geschulten Experten durchgeführt werden", vergleicht Eberst. Bei dieser Methode genügt es hingegen, dem Roboter nur ungefähr anzugeben, wo Fehler im Produktionsprozess vermutet werden. Computerkenntnisse sind dafür kaum nötig - die Maschine setzt den menschlichen Input selbstständig in ein komplexes Programm um. Testläufe mit Stehzeiten in der Produktion werden nahezu unnötig.
"Das als Lernfähigkeit von Maschinen zu bezeichnen wäre aber zu weit gegriffen - es handelt sich um automatisierte Planung", sagt Eberst. Ist der Mensch aus dieser "Partnerschaft" in Zukunft ganz wegzudenken? "Das trifft nur auf hoch reaktive Prozesse zu, für die der Mensch schon jetzt völlig ungeeignet ist. In Zukunft sollte er durch Automatisierung Anspruchsvolleres machen können." (Sascha Aumüller/DER STANDARD, Printausgabe, 7. 3. 2012)