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Der lachende Dritte: US-Präsident Barack Obama profitiert von dem Hickhack bei den Republikanern.

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Rick Santorum (l.) und Mitt Romney sind einander nicht grün.

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Roland Benedikter: "Barack Obama gegen Newt Gingrich wäre wie ein Schnellzug gegen ein kleines Zäunchen."

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Der Super Tuesday, bei dem die US-Republikaner gleich in zehn Bundesstaaten über ihren Präsidentschaftskandidaten abstimmten, ist geschlagen. Und hat doch keinen klaren Sieger gezeitigt. Weder Mitt Romney noch Rick Santorum vermochten ein "Momentum" zu generieren, das einem der beiden das Ticket gegen Amtsinhaber Barack Obama sichern könnte. Der gebürtige Südtiroler Roland Benedikter, Forscher für transatlantische Beziehungen und kontextuelle Politikanalyse an der kalifornischen Universität Stanford, erklärt im Interview mit derStandard.at, warum der Kampf der Republikaner reichlich hoffnungslos ist.

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derStandard.at: Wer feiert heute - Romney oder Santorum?

Ronald Benedikter: Ich denke, am ehesten noch Santorum. Eigentlich aber keiner der beiden so richtig. Denn die Pattstellung ist für keinen der beiden Kandidaten gut, und schon gar nicht für die Republikanische Partei. Die meisten Beobachter, so auch ich, haben erwartet, dass sich Romney zu diesem Zeitpunkt bereits durchgesetzt hat. Doch keiner der beiden innerparteilichen Konkurrenten hat sich bisher entscheidend abgesetzt, was letztlich nur Barack Obama in die Hände spielt. Denn nun geht der gegenseitige Abnützungskampf weiter.

derStandard.at: Warum gelingt es Romney nicht und nicht, den Sack zuzumachen?

Benedikter: Romney gehört wahrscheinlich - so wie das gesamte aktuelle Bewerberfeld - zu den schwächsten Kandidaten in der Geschichte der Republikanischen Partei. Er ist nicht nur ein charismaloser Redner, sondern auch ein Politiker, der immer genau das sagt, was seine jeweilige Zuhörerschaft gerade hören will. Daher hat er sich den Spitznamen des Mannes ohne Eigenschaften erworben. Romney hat kaum eigene Positionen, sondern ist in seinen Diskursformen überproportional abhängig von seiner Umgebung. Das geht so weit, dass er für den Wahlkampf seinen eigentlichen Vornamen "Willard" auf Geheiß seiner Berater zugunsten seines Kinderspitznamens "Mitt" geändert hat, um nicht mit dem ähnlich klingenden "villain", also Bösewicht, assoziiert zu werden. Alleine diese Logik, die hinter seiner Entourage steckt, zeigt, wie opportunistisch Romney denkt und vorgeht.

derStandard.at: Romney präsentiert sich als moderater Republikaner, der den Mittelstand ansprechen will. Kommt das an?

Benedikter: Nein. Denn der amerikanische Mittelstand ist derzeit in einem epochalen Umbruch begriffen - einem Umbruch, wie er seit vielen Jahrzehnten nicht mehr da war. Der Mittelstand erkennt heute, dass das gesamte Bewerberfeld der Republikaner nur den reichsten Amerikanern, nicht aber der großen mittelständischen Mehrheit dienen will. Romney will alle Lasten des Staates auf den Mittelstand abschieben, während die Reichsten kaum Steuern zahlen.

Auch Romneys eigene Steuergeschichte macht ihm große Probleme, wenn er mittels einer Vielzahl von Tricks nur 13 Prozent Steuern auf 42,5 Millionen Einkommen zahlt, während der Durchschnittsamerikaner 25 Prozent berappt. Gerade der republikanische Durchschnittswähler gehört dem Mittelstand an und hat ein sehr feines Gespür für Gerechtigkeit und Balance, er tendiert, wenn man von den proletarischen Extremisten der Tea Party absieht, nie zu Extremen. Romney gelingt es aber überhaupt nicht, mit seinem Beliebigkeitskurs dort zu punkten, obwohl er versucht, seinen rein populistischen Kurs als Pragmatismus zu verkaufen.

derStandard.at: Warum hat Romney dann heute Nacht doch sechs von zehn Vorwahlen für sich entschieden?

Benedikter: Weil er innerhalb des schlechtesten republikanischen Bewerberfeldes mindestens seit den 60er Jahren das geringste Übel darstellt. Trotzdem wissen alle, dass er gegen Barack Obama keine Chance haben wird. Er ist ihm in allem unterlegen: Charisma, Alter, Profilbildung, Wählbarkeit durch den Mittelstand. Viele republikanische Wähler werden deshalb bei den Wahlen zu Hause bleiben.

derStandard.at: Rechnen sich Paul und Gingrich noch Chancen aus?

Benedikter: Newt Gingrich hatte nie eine Chance auf das Präsidentenamt. Er ist der wahrscheinlich unwählbarste Kandidat seit dem Zweiten Weltkrieg. Er ist ein absolut korrupter Politiker, der vor allem durch Selbstbereicherung und intelligente Lügen aufgefallen ist und als einziger Kongressprecher in der Geschichte der USA in den 1990er Jahren wegen insgesamt 84 Ethikvergehen und Amtsmissbrauchs zu 300.000 Dollar Strafe verurteilt wurde.

Barack Obama gegen Newt Gingrich wäre wie ein Schnellzug gegen ein kleines Zäunchen. Dass er weitermacht, liegt vor allem an seinem Charakter. Einerseits ist er extrem eitel, und das ist im Alter von 68 Jahren seine letzte Chance, noch einmal im nationalen und weltweiten Rampenlicht zu stehen. Andererseits geht es ihm um persönliche Rehabilitation. Je mehr Staaten er noch gewinnt, desto mehr glaubt er, sein extrem beschädigtes Ansehen für die Nachwelt korrigiert zu haben.

Ron Paul ist wahrscheinlich der interessanteste Kandidat. Der bald 77-Jährige wusste von Anfang an, dass er nur für Themen antritt, aber gegen Obama keinerlei Chance hat. Die Frage ist, wen die beiden nach ihrem Rückzug unterstützen werden. Gingrich ist unberechenbar, er könnte sich auch neutral geben, um seine Chancen auf Berufung in ein mögliches Kabinett des Siegers aufrechtzuerhalten. Paul wird eher Romney unterstützen, weil er Santorums sexistisches Frauenbild, seine wirtschaftspolitischen Steinzeit-Vorstellungen und seine fundamentalistische Vermengung von Religion und Staat wohl für ebenso unwählbar hält wie die meisten Amerikaner.

derStandard.at: Wie lange geht der Wahlkampf noch?

Benedikter: Ich denke, dass sich die beiden Fraktionen, die heute in der Republikanischen Partei mehr schlecht als recht miteinander koexistieren müssen - nämlich die ultra-religiösen Steinzeitrepublikaner um Santorum und die gesichtslosen Finanz-Opportunisten um Romney, also die Radikal-Gläubigen und die, die an gar nichts glauben -, noch bis in den Sommer hinein gegenseitig beschuldigen und diskreditieren werden. Obama wird das freuen.

Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass aufgrund der völligen Chancenlosigkeit auch Romneys - vergessen wir nicht, er ist 64 Jahre alt und tritt gegen einen 51-jährigen Amtsinhaber an, der gerade Osama bin Laden zur Strecke gebracht hat und dazu noch ein führender Intellektueller ist - die Partei die Notbremse zieht und noch einen Überraschungskandidaten aus dem Hut zaubert, der mit der bisherigen Riege nichts zu tun hat.

derStandard.at: Wer soll das sein?

Benedikter: Derzeit steht (noch) niemand ernsthaft zur Diskussion. Donald Trump, der sich anfangs selbst ins Spiel gebracht hatte, wird von 80 Prozent der Amerikaner als Witzfigur betrachtet. Sarah Palin hat immer gesagt, sie wolle nicht kandidieren, zuletzt aber doch wieder Lunte gerochen und Bereitschaft signalisiert. Es gibt letztlich aber nur eine einzige realistische Person, die bekannt genug ist, um bei einer Überraschungsnominierung den Zeitrückstand wieder aufzuholen: Condoleezza Rice. Sie hat aber schon erklärt, dass sie mit dem derzeitigen Verfallszustand der Republikanischen Partei und den proletarischen Fundamentalisten der Tea Party nichts zu tun haben will. Hinter den Kulissen hat man schon mehrmals bei ihr angefragt, weil jeder vernünftige Republikaner weiß, dass mit dem derzeitigen Personal der Kampf gegen Obama längst verloren ist.

Ein großer Teil der Republikaner wird aus Protest gegen diese Kandidaten nicht wählen gehen. Ironischerweise ist das Einzige, was Obama noch gefährden kann, genau dieses Wissen, dass er eigentlich nicht verlieren kann - was nach dem Super Tuesday jeder sagt. Mit Rice wären viele Probleme der Republikaner wohl gelöst: Sie ist schwarz, eine Frau, jung, intellektuell, gibt vergangene Fehler zu und schreibt an der Stanford-Universität intelligente Bücher über Geschichts- und Zukunftsfragen. Fraglich ist nur, ob sie will. Ich denke das nicht. Sie wird sich, wie Jon Huntsman, der einzig tragbare moderate Kandidat, wenn überhaupt für die nächsten Präsidentschaftswahlen 2016 aufsparen. Wie die meisten Republikaner hat sie die diesjährige Wahl bereits aufgegeben. (flon, derStandard.at, 7.3.2012)