Die südamerikanische Laufspinne Ancyclometes concolor (im Original so groß wie ein Handteller) und der Biologe Tom Weihmann von der Universität Jena.
Foto: Jan-Peter Kasper/FSU

Jena - Spinnenbeine sind von der Natur mit einer Hydraulik ausgestattet, die dafür sorgt, dass sich das Spinnenbein nach einer Beugung wieder streckt - denn Spinnen haben in wichtigen Beingelenken keine Muskulatur, die das übernehmen kann. Stattdessen pumpen die Tiere mit hohem Druck Hämolymphe durch Kanäle in die Beine. Seit den 1950er Jahren gingen Wissenschafter davon aus, dass dieser Mechanismus auch entscheidend für den Antrieb der Tiere ist, vor allem in den Hinterbeinen, die sich bei der Fortbewegung ausschließlich strecken.

Jetzt haben Wissenschafter der Friedrich-Schiller-Universität Jena herausgefunden, dass das Hydraulik-Prinzip nicht von allen Spinnen gleichermaßen eingesetzt wird. Ihnen war aufgefallen, dass eine große südamerikanische Laufspinne besonders das hintere Beinpaar beansprucht, wenn sie zum Sprung ansetzt. "Diese beiden Beine, die beim Sprung sehr stark zur Bewegung beitragen, werden doch durch Muskeln gestreckt", sagt Tom Weihmann vom Lehrstuhl für Bewegungswissenschaft des Instituts für Sportwissenschaft der Universität Jena. "Allerdings befindet sich diese Muskulatur in der Hüfte, denn in den Beinen selbst gibt es keine streckende Muskulatur." Diese Muskeln drücken den Oberschenkel nach unten und strecken damit das Bein - Hydraulik spielt hierbei keine Rolle.

Die achtbeinige Fischerin

Der Biologe hat die Bewegungen der südamerikanischen Laufspinne Ancylometes concolor genauestens beobachtet - und sich damit die Angehörige einer bemerkenswerten Gattung vorgenommen. Die handtellergroßen Ancylometes-Spinnen, die an Seen und Teichen leben, können über Wasser laufen, aber auch abtauchen, um kleine Fische zu fangen. Und sie können sogar Unterwasser-Netze weben.

Weihmann ließ die Tiere über eine äußerst empfindliche Kraftmessplatte laufen, die bereits minimale Bodenkräfte erkennbar macht. Dabei filmte der Jenaer Forscher Laufbewegungen und Sprünge der Spinnen. "Wir haben die Tiere erschreckt, damit sie sehr schnell beschleunigen und möglichst große Kräfte aufwenden", erklärt Weihmann. "Durch den Vergleich von Kraftvektor und Beinstellung konnten wir erkennen, dass die Kraft zur Beinstreckung von der Hüfte ausgeht."

Erkenntnisse für die Robotik

Seine Forschungsergebnisse, die er im "Journal of Experimental Biology veröffentlicht hat, liefern grundlegende Informationen über die Fortbewegung großer Spinnen und ändern die Sicht der Wissenschaft auf die einzigartige Funktionsweise der Beine dieser Tiere. Da hydraulische Antriebe traditionell einen hohen Stellenwert bei technischen Anwendungen haben, können die neuen Erkenntnisse auch interessant für Ingenieure sein. Obwohl Spinnen eine beliebte Vorlage für Roboter sind, haben die meisten spinnenähnlichen Roboter bisher nicht mehr mit den Tieren gemein als ihre äußere Gestalt. Ausgestattet mit spinnenähnlichen hydraulischen Beinen und entsprechender Bein-Koordination sollten die mehrbeinigen Laufmaschinen noch deutlich leistungsfähiger werden, meint Weihmann. (red, derStandard.at, 11.3.2012)