Was vor einigen Tagen als harmlose Demonstration von weniger als 100 Studenten gegen Pläne zur Privatisierung der Universitäten in Teheran begonnen hat, weitete sich innerhalb kürzester Zeit zu einem Massenaufmarsch und einer Protestwelle gegen die politischen Zustände im Iran aus. Beinahe stündlich nehmen die Proteste, die Freitag bereits seit vier Tagen andauerten, an Intensität zu.
Während in der ersten Demo-Nacht die Studenten in ihre Wohnheime zurückkehrten, kamen Tausende Passanten und Familien aus allen Teilen der Stadt ins Universitätsviertel und blockierten alle Zufahrtsstraßen. Viele Autofahrer täuschten eine Autopanne vor und hinderten dadurch die mobilen Sicherheitsorgane, gegen die protestierenden Massen vorzugehen. Fernsehsender, die aus den USA ausstrahlen, informierten die Teheraner Bevölkerung live über die Zustände im Universitätsviertel.
Die Demonstranten verlangten zum ersten Mal den Rücktritt von Präsident Khatami und eine Volksabstimmung über das politische System des Landes. In der Nacht von Donnerstag zum Freitag kam es zu heftigsten Zusammenstößen zwischen Demonstranten und zivilen Sicherheitsorganen, die bis Freitagmorgen andauerten. Viele Frauen nahmen ihre Kopftücher ab und suchten in den Studentenwohnheimen Schutz, während Autofahrer durch Hupen und laute Musik auf sich aufmerksam machten.
Tränengas und Steine
Zwischen vermummten Jugendlichen und zivilen Sicherheitsorganen kam es zu regelrechten Schlachten. Es gab mehrere Verletzte auf beiden Seiten und auch Verhaftungen. Die Polizei versuchte vergebens mit Tränengas und Warnschüssen die Situation unter Kontrolle zu bringen. Erst am Vormittags beruhigte sich die Situation.
Im Iran werden inzwischen 18 TV-Kanäle empfangen, die aus den USA in persischer Sprache ihre Programme ausstrahlen. Obwohl die iranischen Behörden in Teilen der Hauptstadt durch Frequenzparasiten den Empfang erschweren wollen und dafür reisige Antennen in verschiedenen Stadtvierteln aufgestellt haben, werden diese Störungen mit einfachen technischen Geräten neutralisiert.
Die Reaktion der konservativen Kreise war voraussehbar: Wie immer in letzter Zeit suchte man die Schuldigen im Ausland. In einer ersten Stellungnahme Donnerstag bezichtigte der religiöse Führer die USA als Drahtzieher der Unruhen und warnte Washington und deren Sympathisanten im Iran, wie er sagte, vor einem Aufstand der religiösen Kräfte gegen die Feinde der islamischen Werte.
Eine Woche vorher beim Freitagsgebet in Teheran behauptete Ayatollah Mespah Jasdi, der als Sprecher der ultrareligiösen Kleriker bekannt ist, sogar, dass die USA 500 Millionen Dollar Bestechungsgelder unter iranische Politiker verteilt hätten, um das Land zu destabilisieren.