"Es gibt das Bedürfnis, menschlich berührt zu werden, die eigenen Probleme in dieser oder jener Abwandlung auch bei anderen wiederzufinden. Und es hat sich gezeigt, dass die Sendungen die höchste Quote hatten, in denen es um Gefühle ging": Angelika Kallwass in ihrem Element. Es ist noch nicht angerichtet.

Foto: Sat1.de
Wenn Fotografen ein großes, mit Luster, Lampen und Leuchtern ausgestattetes Zimmer am Abend abbilden wollen, dann rücken Assistenten an, tauschen die Glühbirnen gegen stärkere aus, verstecken Fotoleuchten hinter Vorhängen und richten überhaupt einige Unordnung an. Und als einmal ein Wohnungsbesitzer matschkerte, er hätte sein Zimmer doch gerne in natürlichem Zustand abgelichtet haben wollen, da antwortete ihm ein Assi: Was glauben Sie, um wie viel natürlicher es jetzt aussehen wird!

So ähnlich war es bei der Überlegung, in "Zwei bei Kallwass" die mit Problemen beladenen Menschen durch Schauspieler auszutauschen: Die leuchten stärker, und beim Zuschauer kommt's natürlicher rüber.

Wir werden uns noch fragen, ob man davon absehen kann, aber: Abgesehen davon ist bei Angelika Kallwass alles Business as usual, wie seit November 2001. Da begann auf Sat.1 ihre Nachmittagsshow, zu der im Regelfall zwei Menschen dazu eingeladen wurden, die Probleme auszusprechen, die sie miteinander und mit Dritten hatten. Das Idealziel war und ist, dass sie am Ende ihres Auftritts - drei Paare treten jeweils wochentags um zwei am Nachmittag gegeneinander an - mit mehr Einsicht das Studio wieder verlassen.

Beispiele gefällig?

"Gib mir die Kinder!" Unter diesem Titel stellt die Homepage des deutschen Privatsenders das erste Problem-Duo des vergangenen Donnerstags vor (beim Verfassen dieser Zeilen noch zwei Stunden in der Zukunft): "Marcel ist mit seiner Frau Svenja bei Frau Kallwass, weil er Svenja nicht mehr versteht. Seit der Geburt der gemeinsamen Kinder hat sich Svenja sehr verändert. Svenja will nicht, dass Marcel die Kinder hält, und lässt ihn daher nie mit den Kleinen allein. Marcel fühlt sich wie der letzte Trottel. Er will mit seinen Kindern auch mal etwas alleine machen."

Oder: "Meine Frau ist kriminell. Seit einem halben Jahr glaubt Patrick, dass seine Frau Verona eine Diebin ist. Zudem hat eine Nachbarin beobachtet, wie Verona tütenweise nagelneue Küchenutensilien weggeschmissen hat. Inzwischen hat Patrick schon mehrere Vorladungen für Verona entdeckt. Verona aber streitet alles ab. Was wird Frau Kallwass den beiden raten?"

Das Ziel, bei Frau Kallwass Rat und Lösung zu finden, ist in mehrfacher Hinsicht erstaunlich. Zum einen sind noch die Sendungsformate in Erinnerung, bei denen es nicht um Mediation, sondern darum ging, dass die Fetzen fliegen. Die "Jerry Springer Show" war die Mutter aller solcher Belustigung, die Hasstiraden im Talk Radio standen Pate.

Optimistische Grundhaltung

Zum anderen verwundert die optimistische Grundhaltung. Wie kann man in der gegebenen Zeit, unter Zuseher-und sonstigem Erfolgsdruck zu einem wenn auch noch so bescheidenen Zwischenergebnis kommen?

Es soll eine TV-Produzentin und gute Bekannte von Angelika Kallwass gewesen sein, die fand, dass die gelernte Psychologin und Volkswirtin unbedingt ins Fernsehen müsse. Da hatte Kallwass bereits eine Zusatzausbildung in Aggressionstraining absolviert und eine eigene Praxis (und die Geschäftsführung eines Textilunternehmens in Köln, die sie mittlerweile zum Gutteil delegiert).

Um in ihrer Mediatorenrolle sicherer zu gehen, hat sie in ihr Team eine weitere Psychologin aufgenommen und zwei Psychoanalytiker, "die mit mir die Fälle auf den analytischen Hintergrundgehalt hin untersuchen".

Zuschauerinteresse

Anfangs waren die Sorgen der Menschen vielfältig und - da real people - schwerer steuerbar. Das Interesse stieg trotzdem oder gerade deswegen schnell, mittlerweile hält die Show bei bis zu 22 Prozent Anteil in der Zielgruppe (14-49 Jahre).

"Bedürfnis nach Unterhaltung"

Damit stieg wohl auch für Kallwass der Druck. Die schicke und professionell wirkende Mittfünfzigerin konzentriert sich heute auf Beziehungsprobleme, denn "es gibt es Bedürfnis, menschlich berührt zu werden, die eigenen Probleme in dieser oder jener Abwandlung auch bei anderen wiederzufinden und zu verstehen." Über die karthartische Wirkung eines solchen Dabeiseins ist schon vielfach spekuliert worden. Außer Debatte allerdings steht folgende Einsicht: "Es hat sich gezeigt, dass die Sendungen die höchste Quote hatten, in denen es um Gefühle ging." Und schließlich gebe es auch "das Bedürfnis nach Unterhaltung".

Probletainment

Wer aber stellt sich diesem Forum des Probletainment? Hier nachzufragen erbringt nur eine vage Auskunft: "Die Fälle", sagt Angelika Kallwass, "berichten uns die Zuschauer oder werden von den Teammitgliedern angebracht. Sie kommen aus allen möglichen Richtungen." Der Rechtsweg, würde auf einem Teilnahmeschein stehen, ist also ausgeschlossen, die vorgeschlagenen Fälle können denn auch, wie wir auf Nachfrage erfahren, zu exemplarischeren Demo-Objekten umgearbeitet werden.

Das wiederum kriegen Schauspieler, die seit Anfang 2002 Zores mimen, besser hin als die in jeder Hinsicht Betroffenen. Eventuelle Auswirkungen etwa von "Deine Stubenhockerei nervt!" (Teil 3 am Donnerstag) sollten aber dann doch an realen Menschen untersucht werden. (mf/DER STANDARD/Album, 14./15.6.2003)