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Thomas Höhne ist Rechtsanwalt in Wien, unter anderem auf Medienrecht spezialisiert.
Die Neuregelung des § 112 StPO hat für Aufregung gesorgt. Verschiedene gesetzlich gewährleistete Rechte bzw. Pflichten zur Verschwiegenheit würden dadurch bedroht, hieß es. Dazu haben sich schon Kompetentere geäußert; was mich an der Sache stört, ist die Genesis dieser Novelle. Kann man diese wirklich so gelassen sehen wie der für seine klugen und querdenkerischen Einwürfe bekannte Hofrat des Verwaltungsgerichtshofs Hans Peter Lehofer? Er belächelt, dass vom "unbemerkten Durchwinken" der Novelle im Ministerrat geredet wurde - das sei doch wohl ziemlich schwierig, außerdem gehe die Regierungsvorlage nach dem Ministerratsbeschluss an der Nationalrat und werde auf dessen Website veröffentlicht - ausreichend Gelegenheiten, den Inhalt zu prüfen, meint er.
Worum geht es? Wie es sich gehört, wurde die Novelle an Institutionen und Interessenvertretungen, die dazu eine Meinung haben könnten, versandt und ihnen die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Erst nach Beendigung dieses Begutachtungsverfahrens jedoch wurde jene Passage, die nun zur Empörung vieler Betroffener, von den Anwaltskammern abwärts, geführt hat, in den Text - sagen wir es vornehm -"eingefügt". Wo ist das Problem?, so Lehofer. Dass nach der Begutachtung - zwischen Ministerialentwurf und Regierungsvorlage - Änderungen vorgenommen werden, liege in der Natur der Sache, sei ja gerade Zweck des Begutachtungsverfahrens. Stimmt schon - durch das Begutachtungsverfahren soll einerseits die Qualität des Entwurfs gehoben werden, aber auch andererseits die Akzeptanz bei den in erster Linie Betroffenen ausgelotet werden, und es sollen einem Gesetzesentwurf gewissermaßen unerwünschte Ecken und Kanten abgeschliffen werden, damit daraus eine runde Sache wird. Nimmt das Ministerium die Ergebnisse der Begutachtung ernst, so steht im Entwurf am Ende natürlich nicht dasselbe wie zu Beginn. Hier aber ist etwas ganz anderes geschehen. Hier wurde nicht bloß eine holprige Vorlage geglättet.
Wenn selbst angesehene (und des Alarmismus unverdächtige) Rechtsprofessoren wie Funk, Fuchs oder Schwaighofer diese ministerielle Nachgeburt für skandalös halten, dann - ob man ihre Meinung nun letztlich teilt oder nicht - ist das doch ein klares Indiz dafür, dass diese Passage in die Begutachtung gehört hätte. Was sich das Ministerium damit eingehandelt hat, ist eine Begutachtung über die Medien. Und wem soll das nützen? Der Demokratie nicht. In der Demokratie reden die, die ein Gesetz angeht, mit. Und das sind eben nicht nur die Damen und Herren von National- und Bundesrat, denen es im Einzelfall sowohl an Expertise wie auch an Betroffenheit mangeln kann. Ein ordentliches Begutachtungsverfahren wird nicht dadurch ersetzt, dass eine Novelle im Ministerrat abgenickt wird, und auch nicht durch die Veröffentlichung der Regierungsvorlage auf www.parlament.gv.at. Der schleißige Umgang mit der Gesetzgebung hat in diesem Land allerdings Tradition. Da werden schon einmal, ohne lang zu fackeln, die Geschworenengerichte mit einem Budgetbegleitgesetz faktisch abgeschafft, da wird eine Novelle zum Universitätsgesetz (Dezember 2010) mit einer Begutachtungsfrist von vier Tagen versandt (die dann großzügig auf 14 Tage verlängert wurde), da wird für ein EU-Vollstreckungsamtshilfegesetz (September 2011) eine Frist von sieben Tagen eingeräumt (an der knappen Frist war natürlich die EU schuld, wer sonst). In das strafrechtliche Kompetenzpaket, das effizientere Verfolgung von Wirtschaftskriminalität zum Ziel hatte, wurde nach Ende der Begutachtung (!) in die Regierungsvorlage statt ursprünglich vier Wirtschaftskompetenzzentren eine einzige zentrale Stelle in Wien eingefügt - der Wirbel war programmiert.
Da wundert es nicht, wenn UHBP klarstellt, dass er zur Überprüfung des verfassungsmäßigen Zustandekommens des Stabilitätsgesetzes ausreichend Zeit braucht. Auch ein Begutachtungsverfahren braucht ausreichend Zeit. Experten müssen ausgewählt werden, die den Entwurf studieren, Diskussionen müssen geführt werden, Gremien müssen Beschlüsse fassen. Das geht nicht in sieben Tagen, das geht nicht in vierzehn Tagen. Wer das nicht verstehen will, mag irgendwelche Ziele verfolgen - die eines demokratischen und qualitätsvollen Werdens eines Gesetzes sind es nicht. Und wer nach Begutachtung in einen Entwurf eine Bombe einfügt, die mit Garantie explodiert, braucht nicht nur Nachhilfe in Demokratie, sondern hat zumindest eines nicht: politischen Instinkt. Das aber ist das Mindeste, was von Ministern und ihren Sektionschefs erwartet werden kann. (Thomas Höhne, DER STANDARD, 10.2.2012)