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Kirsten Dene als Helene Alving und Martin Schwab als Pastor Manders

Foto: AP / Lilli Strauss

Wien - David Böschs rührend poetische Inszenierung von Henrik Ibsens Gespenstern im Wiener Akademietheater nimmt sich wie ein Postskriptum aus: wie die szenische Nachschrift zu einer Tragödie der Leidenschaften. Dem bürgerlichen Zeitalter hat auf Patrick Bannwarts Bühne die Stunde geschlagen: Das Mobiliar im Hause Alving verschwindet unter Staubfängern, das immerzu trübe Licht scheint ein Vorgriff auf die gesamteuropäische Segnung der Energiesparlampe.

Auch die Menschen flackern wie unter dem Einfluss eines Notstromaggregats. Witwe Alving (Kirsten Dene), auf deren Grund und Boden die Einrichtung eines Kinderasyls im Andenken an den verblichenen Gemahl bevorsteht, kämpft sich tapfer von Flasche zu Flasche durch den verwahrlosten Haushalt. In ihrem Stiftungssekretär Pastor Manders (Martin Schwab) besitzt sie einen verkniffenen Schönredner als Gesellschaftspartner, der in Momenten emotionaler Überrumpelung nahe am Wasser gebaut ist: Zwei einsame Schauspielergrößen bezaubern mit einem Minimum an Mitteln.

Erzählt wird aber von der Auflösung des Gesellschaftsvertrages zwischen den Generationen: Auf einer Plane, hoch wie die Feuermauer, prangt das Porträt des verstorbenen Kammerherrn. Seiner ungesühnten Untaten wegen zerbricht der Zusammenhalt von fünf Menschen, die allesamt an den Spätfolgen einer lügenhaften Lebenspraxis elendiglich zugrunde gehen. Sohn Oswald Alving (Markus Meyer) ist der Heimkehrer in das vergiftete Familiennest: ein liebenswürdiges Nervenwrack im Frotteepyjama, das kistenweise Schampusflaschen leersäuft und mit der Haushaltshilfe Regine (Liliane Amuat) so hartnäckig wie vergeblich Liebesbanden knüpft. Oswalds Schicksal ist jedoch die Paralyse.

Bösch erweist sich wiederum als junger Meister der poetischen Aus- und Abschweifung: Seine szenischen Erfindungen kulminieren in Schwebemomenten, in denen man die Verzweiflung der Figuren mit Händen zu greifen meint. Allein aus der Bedienung eines Analogplattenspielers schöpft er mehr Kommentar-Ideen zum Verhältnis zwischen Alt und Jung, als andere in langen Aufsätzen breittreten. Verdienter Jubel für eine famose Aufführung. (poh, DER STANDARD, 10./11.3.2012)