Vor zehn Monaten wurden ich und zwölf andere TierrechtsaktivistInnen im Wr. Neustädter Tierrechtsprozess von allen Vorwürfen, inklusive der Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation (§278a), freigesprochen.

Der Rechtsstaat ist wieder im Lot, so die medial vermittelte öffentliche Meinung. Doch noch bevor der von uns selbst hart erkämpfte Freispruch Rechtskräftigkeit erlangt - der Staatsanwalt schreibt gerade an der Berufung -, beginnt schon am Dienstag der nächste Prozess gegen politische AktivistInnen: In Wien stehen vier AktivistInnen der #unibrennt-Bewegung wegen versuchter Brandstiftung vor Gericht.

Ist Antirassismus Terrorismus?

Ab Mai 2010 ermittelte das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT), besser bekannt als "der Verfassungsschutz", gegen die #unibrennt-Bewegung, die damals ihrer Forderung nach freier Bildung mittels Unibesetzungen europaweit Nachdruck verlieh.

AktivistInnen wurden observiert, Telefone abgehört und Spitzel "abgeschöpft". Als dann vor dem AMS zwei Mistkübel brannten und die Bekennung irgendwie kapitalismuskritisch daherkam, wurden vier studentische AktivistInnen verhaftet und sechs Wochen in Untersuchungshaft gesteckt. Anhand eines dabei sichergestellten Videos, das die Abschiebung eines junges Mannes nach Nigeria am Flughafen dokumentierte, befürchtete der Verfassungsschutz eine mögliche Gefangenenbefreiung und ermittelte weiter wegen §278b, dem Totschlagargument eines jeden Schlapphutes: Terrorismus. Dann war einige Zeit nichts zu hören.

Da wird schon was gewesen sein ...

Nach dem in Wr. Neustadt gefällten Freispruch wurden die Ermittlungen wegen §278 auch im #unibrennt-Fall eingestellt, die AktivistInnen aber wegen der brennenden Mistkübel angeklagt. Das Gefühl macht sich breit, dass man sich eine weitere Blamage wie in Wr. Neustadt einschließlich des Vertrauensverlusts in Polizei, Verfassungsschutz und Justiz ersparen möchte. Denkt sich nicht der unbescholtene Normalbürger bei konkreteren Tatvorwürfen "Da wird schon was gewesen sein"?

Verdeutlicht man sich allerdings die Umstände, so ist der #unibrennt-Fall zwar weniger umfangreich, aber um nichts weniger skandalös: Gefundene Verstärker-Schaltpläne werden zu vermeintlichen Bombenbauplänen, eine Großmutter in Polen hält als "internationale Vernetzung" der Terrorzelle her und die politische "Gesinnung" landet sogar als "Indiz" in der Anklageschrift.

Knick in der Optik?

Dass solcherlei Einschätzungen keineswegs neutral sind, zeigt ein Vergleich: Während die vier Uni-AktivistInnen wegen brennender Mistkübel in Untersuchungshaft saßen, wurde ein mutmaßlicher Rechtsextremist, der in einem von MigrantInnen bewohnten Wohnhaus in Wien-Floridsdorf innerhalb weniger Tage gleich zweimal Feuer gelegt haben soll - inklusive Hakenkreuzschmierereien und Todesdrohungen -, auf freiem Fuß angezeigt, während mutmaßliche Komplizen noch unbekannt waren. Ist der Verfassungsschutz also auf dem rechten Auge blind?

Oder politisch motiviert?

Die Ermittlungsmethoden und die Argumentation im #unibrennt-Fall erinnern unfreiwillig an das Wr. Neustädter §278a-Verfahren: Bedrohungsszenarien ("Anschläge auf internationale Organisationen"), ein Organisationsparagraf ("Terrorismus"), mit dem alle juristischen Hürden beim Überwachen fallen, und dann noch Terroristen-Jäger, die schon in Wr. Neustadt vor Gericht unrühmlich aufgefallen sind ("schlichte Schutzbehauptung"). Wurde hier mal wieder auf die Unschuldsvermutung vergessen und politisch motiviert ermittelt?

Insofern muss der Schluss nicht nur sein, Organisationsparagrafen zum Wohl der Privatsphäre aller auf die Müllhalde der Geschichte zu verfrachten, sondern sich dem Berliner Politikwissenschaftler Peter Grottian bei seiner Forderung anzuschließen: Verfassungschutz abschaffen! (Leserkommentar, Christof Mackinger, derStandard.at, 13.3.2012)