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J.R.R. Tolkien auf einem Foto aus dem Jahr 1967.
London - 1937 veröffentlichte der britische Schriftsteller und Sprachwissenschafter J.R.R. Tolkien seinen legendären Roman "The Hobbit". Bis zur ersten deutschsprachigen Ausgabe sollten 20 Jahre vergehen, dabei hatte man sich schon wesentlich früher um eine Übersetzung bemüht: Bereits 1938, wenige Monate nach dem Ersterscheinen, kontaktierte der deutsche Verlag Rütten & Loening den Autor. Die Verhandlungen scheiterten jedoch, weil sich Tolkien weigerte, den vom Verlag geforderten "Ariernachweis" zu erbringen.
Briefe von allgemeinem Interesse
Einblick in diese Episode bietet die Website "Letters of Note", die es sich zur Aufgabe gesetzt hat, Briefe von interessanten Persönlichkeiten der Zeitgeschichte einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen. Zuletzt wurden beispielsweise Briefe des Astronomen Carl Sagan oder des "Schöne neue Welt"-Autors Aldous Huxley an seinen Schriftstellerkollegen George Orwell vorgestellt. Im kommenden Herbst soll aus dem Archiv der Website ein Buch zusammengestellt werden.
Als Tolkien von Rütten & Loening um eine Bestätigung seiner "arischen" Abstammung gebeten wurde, leitete er das Schreiben wütend an seinen Herausgeber Stanley Unwin weiter. In einem Begleitbrief erklärte er, dass er - obwohl er solch einen Nachweis sogar erbringen könne - "das (mögliche) Fehlen jeglichen jüdischen Blutes nicht notwendigerweise für ehrenwert" halte und er nicht den Anschein erwecken wolle, die "vollkommen verderbliche und unwissenschaftliche Rassendoktrin" zu unterstützen.
Wahre Arier
Tolkien bezog klar Stellung gegen die "verrückten Gesetze" der Nazis. Da die Vergabe von Übersetzungsrechten letztlich aber Entscheidung des Verlegers ist, konnte der Autor nicht mehr tun, als Unwin seine Position klarzumachen. Und er legte ihm zwei Entwürfe für eine Antwort an Rütten & Loening bei. In einer davon wurde die Anfrage schlicht ignoriert, in der anderen - kürzlich von "Letters of Note" veröffentlichten - erklärte er zum Thema jüdische Vorfahren, dass er keine Ahnen aus "diesem begabten Volk" habe, und verwahrte sich gegen derlei "impertinente und irrelevante Anfragen". Und ließ sich auch - Sprachwissenschafter, der er war - den Hinweis nicht nehmen, dass der Begriff "arisch" nur auf einige östliche indogermanische Sprachen anzuwenden sei, er seines Wissens aber keine Vorfahren habe, die Hindustani, Persisch oder Ähnliches gesprochen hätten.
Welche Version letztlich nach Deutschland geschickt wurde, ist nicht überliefert. Nur das Ergebnis: Zu Nazi-Zeiten sollte es keinen deutschsprachigen "Hobbit" geben. (red, derStandard.at, 17.3.2012)