Prozessstart gegen vier Studierende (im Vordergrund), dahinter v. li.: Verteidigerin Anja Oberkofler, Staatsanwältin Nina Mayrgündter sowie, ganz rechts, Richter Gerald Wagner.

Foto: Christian Fischer

Wien - Mit Spannung wird zu Beginn eines Prozesses die Verantwortung der Angeklagten erwartet. Bei der ersten Tagsatzung gegen vier Studierende und "Uni brennt"-Aktivisten wegen des Entzündens zweiter Müllcontainer im Eingang einer Arbeitsamtsfiliale trugen diese jedoch nicht zur Klärung des Tatbestands bei. Denn statt die konkreten Fragen von Richter Gerald Wagner zu beantworten, rückten Andreas S. (28), Joanna W. (24), Barbara W. (25) und Ines S. (23) die Dinge in einen, wie sie meinten, umfassenderen Zusammenhang. Vor den erstaunt wirkenden Schöffen sprachen sie von der "Justizfarce, die wir heute hier erleben" und vom "System, das den Schutz des Kapitals über den Schutz des Menschen stellt". "Reden Sie frei, Verlesungen sind hier nicht gestattet", mahnte Wagner. Er führte die Verhandlung souverän.

Zu der ihnen vorgeworfenen versuchten Brandstiftung (Strafrahmen bis zu zehn Jahre) am 28. Juni 2010 in Wien und der Verbreitung eines Bekennervideos im Netz meinten "J.A.I.B" - wie die vier von den zahlreich erschienenen Unterstützern nach ihren Vornamen genannt werden - nur: "Ich verweigere die Aussage" oder "Ich sag nix". Doch als der Richter bei Ines S. nachbohrte, ob sie die " Schlussfolgerungen des Videos" richtig oder falsch finde, kam diese um eine Antwort nicht herum: "Falsch, verdammt!"

"Im linksaktivistischen Milieu"

Staatsanwältin Nina Mayrgündter verortete die Beschuldigten "im linksaktivistischen Milieu", ihren Vortrag projizierte sie in Fact-Sheet-Form auf eine Leinwand. Auf dieser war auch besagtes Bekennervideo zu sehen. Zu erkennen waren schwarze Gestalten sowie zwei wackelig gefilmte brennende Müllcontainer. Wer sich den Körperbau der Beschuldigten vergegenwärtige, könne rückschließen, dass zwei von ihnen mit den gefilmten Gestalten identisch seien, meinte die Staatsanwältin. "Es könnte genauso gut der Sohn oder die Tochter Ihrer Nachbarn sein", konterte Verteidigerin Anja Oberkofler, sich an den Vorsitzenden und Laienrichter wendend.

Oberkofler stellte ihre Mandanten als friedliche Aktivisten der Uni-Proteste 2009 und 2010 dar, die vom Verfassungsschutz unter Observation gestellt worden seien. Um dies umfassend tun zu können, habe man "auf den Ermittlungsparagrafen 278b rückgegriffen". Dass dieser - Terrorismus - nicht in der Anklage stehe, hänge damit zusammen "dass aus der Blamage im Tierschützerprozess gelernt wurde". Der Schaden für ihre Mandanten sei groß.Oberkofler beantragte die Ladung aller mit dem Fall beschäftigten Verfassungsschutzleute. Der Prozess wurde vertagt. (Irene Brickner, DER STANDARD, 14.3.2012)