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Das Feld vor der Oper

Foto:Reuters/Titzer
Wien - Die Schlussetappe der Wiesbauer-Tour hatte etwas von einem großen Ringelspiel, der Wiener Ring musste zwanzigmal umkreist werden. Vom Rathaus bis zum Rathaus und wieder weg und zurück. Passiert ist freilich nichts mehr - Radprofis pflegen einen Ehrenkodex, der besagt, dass der am letzten Tag Führende auch gewinnen soll. Nicht die Etappe, die Schleife. Egal ob in Frankreich, Italien, Spanien oder sogar in Österreich.

Letzte Etappe an Steels

Also bejubelte der Salzburger Gerrit Glomser (28) die Wiederholung seinen Gesamtsieges, was ihn in den mehr oder weniger erlauchten Kreis österreichischer Größen katapultierte. Wolfgang Steinmayr gelang das 1975 und 1976. Das letzte Stück wurde im Massensprint entschieden, Tom Steels gewann ihn. Der zählt zu den erlauchten Belgiern, hat vier Etappensiege bei der Tour de France in den Beinen.

Glomser zog das Gelbe Trikot am zweiten Tag an, war am dritten auf dem Kitzbüheler Horn die beste Gämse. Gefährdet schien es am Samstag zu sein: In Graz fiel Glomser um - die Hitze hatte ihm stark zugesetzt. An seiner statt durfte Mutter Gudrun das Gelbe Trikot überstreifen. Sie gab es rechtzeitig an ihren Sohn ab.

"Vom Ambiente her gibt es nichts Schöneres, es war nur noch eine Triumphfahrt", meinte Glomser am Sonntag in Wien. "Meine gestrigen Probleme hatte ich gut im Griff." Die waren aber doch gewaltig. "Ich konnte wegen Magenproblemen nichts essen und trinken. Ich war nahe daran, mich zu übergeben und aufzugeben, habe aber für mein Team durchgehalten." Wie in Trance habe er das Finish bewältigt. "So eine Erfahrung wünsche ich niemandem", betonte Glomser, der einen Kreislaufkollaps erlitten und im Hotel vom Teamarzt zweieinhalb Liter Glukose-Infusionen erhalten hatte.

Kein Tour-Respekt

Einen Tag später bekam er in Wien den Pokal. Und Glomser fühlte sich perfekt eingerollt. Für seine erste Tour der France. Mit 65 Kilogramm hat er sein "Kampfgewicht" erreicht, die Topform soll sich zum Start am 5. Juli einstellen. "Derzeit gibt es noch Wellentäler, es fehlt noch etwas", sagte Glomser, der sich gemeinsam mit Teamkapitän Gilberto Simoni in Frankreich einige Etappen ansehen wird. "Das eine große Ziel ist ein Etappensieg, aber das andere verrate ich nicht", sagte Glomser. Es könnte sich um eine Top-ten-Platzierung in der Gesamtwertung handeln. "Meine Leistungen haben überzeugt, jetzt bin ich bei Saeco anerkannt", freut sich der BWL-Student. An die Tour gehe er völlig respektlos heran, sie sei nämlich die leichteste der drei großen Landesrundfahrten. "Weil sie sehr kontrolliert ist durch das US-Postal-Team. Alle haben Respekt vor Lance Armstrong. Die Chefs werden sich beobachten, da ist Platz für kleinere Fahrer."

Glomser gehört zur raren Spezies jener Radprofis, die sowohl im Sprint als auch in den Bergen Stärke zeigen. Die Spurtkraft ist ihm angeboren ("Ich habe den Instinkt und die schnellen Muskelfasern"), auf das Bergfahren hat er sich mit zunehmendem Alter optimal eingestellt. "Denn das ist vor allem Überwindungs- und Gewichtssache." (red, DER STANDARD, PRINTAUSGABE 16.6. 2003)

7. Etappe (20 Runden auf der Wiener Ringstraße/124 km): 1. Tom Steels (BEL/Landbouwkrediet) 2:41:00 Stunden - 2. Allan Bo Andresen (DEN/Fakta) - 3. Simone Cadamuro (ITA/de Nardi) - 4. Petr Herman (CZE/Hervis Linz) - 5. Sven Teutenberg (GER/Bianchi) - 6. Werner Riebenbauer (AUT/Fakta) - 7. Michel van Haecke (BEL) - 8. Matteo Carrara (ITA) - 9. Philippe Gaumont (FRA) - 10. Rinaldo Nocentini (ITA) ... 13. Christian Pfannberger (AUT/Volksbank Vorarlberg) - 17. Peter Pichler (AUT/Nationalteam) - 21. Harald Morscher (AUT/Elk Schrems) - 29. Christoph Kerschbaum (AUT/Nationalteam) - 66. Gerrit Glomser (AUT/Saeco), alle gleiche Zeit