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Feindbild Goldman: Eine Demo in New York gegen die US-Investmentbank im November 2011.

Foto: AP/Methews

Wohin die Reise geht, steht noch nicht fest. Sicher ist nur: Greg Smith hat etwas losgetreten. In einem Beitrag in der "New York Times" hatte sich der 33-Jährige darüber ausgelassen, wie bei der Investmentbank Goldman Sachs Geschäfte gemacht würden. Smith arbeitete zwölf Jahre bei Goldman. Sein Beitrag, der zugleich sein Kündigungsschreiben war, erschien am Mittwoch.

Am Donnerstag fand sich Smiths Bild bereits auf Titelseiten zahlreicher US-Zeitungen. Es gab kaum eine Nachrichtensendung, in der sein Name nicht fiel. In Talkshows wurde über seine Kritik diskutiert und zahllose Politiker lobten ihn für seine Worte. Der prominente demokratische Abgeordnete Elijah Cummings sah in Smiths Kritik gar den Beleg dafür, dass Goldman "nichts aus der Krise gelernt hat". Dabei ist die ganze Aufregung rund um Smiths Brief auf den ersten Blick verwunderlich.

Nicht am Kundenerfolg interessiert

Der Exbanker beklagte sich in der "Times" darüber, dass Goldman nicht am Erfolg der Kunden interessiert sei, für die man die Gelder verwalte. Stattdessen gehe es der Bank nur um den eigenen Profit. Wer es als Mitarbeiter bei Goldman zu etwas bringen wolle, müsse Kunden dazu bringen, Aktien zu kaufen, die Goldman aus dem eigenen Portfolio loswerden möchte, schrieb Smith. Investoren würden hinter ihrem Rücken als "Deppen" bezeichnet werden, Smith sprach von einer "kaltschnäuzigen" Abzocke.

Diese Kritik klingt hart, ist aber nicht neu: Goldman wurde lange vor Ausbruch der Finanzkrise vorgeworfen, intransparent mit den Geldern von Investoren zu agieren. Ein Spitzname des Konzerns bei Analysten lautete daher "black box".

Immer wiede wurde der Konzern zudem wegen dubioser Geschäftspraktiken zu Strafen verurteilt. Der prominenteste Fall betraf den Umgang mit Kundengeldern. Im Juli 2011 musste sich Goldman mit der US-Wertpapieraufsicht SEC auf einen Vergleich zur Beilegung von Betrugsvorwürfen einigen. Goldman zahlte 500 Millionen Dollar (380 Mio. Euro) Entschädigung. Im Zentrum der Affäre stand, dass Goldman Hypothekenpapiere verkaufte, während die Bank zeitgleich mit Hedgefonds Wetten auf den Preisverfall dieser Papiere einfädelte. Davon wussten die involvierten Investoren freilich nichts.

Bedenkliche Geschäftspraktikten

Ex-Banker Smith wirft Goldman keine widerrechtlichen Handlungen vor und die Kunden, von denen er spricht, waren keine kleinen Fische. Smith betreute nach eigenen Angaben zwei der größten Hedgefonds der Welt und mehrere große Staatsfonds aus dem arabischen Raum. Doch immerhin ist es diesmal ein Insider, der über bedenkliche Geschäftspraktiken auspackt. Zudem haben viele Amerikaner nicht vergessen, dass Goldman in der Krise mit zehn Milliarden Dollar gerettet wurde.

Goldman wandelte sich 2008 von einem Wertpapierunternehmen zu einer Bank, um an billige Kredite der Notenbank zu kommen. Auch das sorgte für Wirbel, denn das klassische Bankgeschäft mit Einlagen spielt bei Goldman keine Rolle. Smiths Wortmeldungen sind für viele der Beleg dafür, dass sich die umstrittenen Geschäftspraktiken an der Wall Street nicht geändert haben. Der frühere Chef der US-Notenbank, Paul Volcker, meinte am Mittwoch, Goldmans Geschäftsmethoden hätten sich in den vergangenen zehn Jahren zum Schlimmeren gewendet.

Der Ex-Boss des notverstaatlichten Versicherungskonzerns AIG, Hank Greenberg, spricht von einer miserabler Unternehmenskultur in der Bank. Das Geldhaus befände sich in unauflösbaren Interessenkonflikten mit seinen Kunden.Auch bei aktiven Bankern sorgt Smiths Brief für Wirbel. Jamie Dimo, Chef von JP Morgan, warnte seine Mitarbeiter in einem Memo davor, sich am Banken-Bashing öffentlich zu beteiligen. (szi, DER STANDARD, 16.3.2012)