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Europa hält sich für grüner als es ist. Produziert wird der Dreck jetzt einfach anderswo.
Wien - Europa ist weniger grün, als es die Europäer gerne von sich glauben und behaupten. Weltbank-Umweltexperte Uwe Deichmann erinnert an chinesische Geschäftsleute, die im deutschen Ruhrgebiet buchstäblich ganze Stahlfabriken aufgekauft haben. Verschifft nach China kommt dann die hierzulande ausrangierte Technologie im Reich der Mitte eins zu eins zum Einsatz. Dort wird dann produziert, was im Endeffekt wieder nach Europa exportiert wird.
Salopp gesagt, lagert Europa seinen Dreck aus, während die Produktion in den eigenen Ländern grüner wird. Das ist einer der Schlüsse, den die Weltbankökonomen in ihrem Bericht „Golden Growth" hinsichtlich der Frage, ob das europäische Wirtschaftsmodell grüner wird, ziehen.
Grüne Produktion
"Die europäische Produktion wird grüner, der europäische Konsum ist es nicht", sagt Deichmann im Gespräch mit derStandard.at. Das Glas sei gewissermaßen halbvoll, gab es doch in Europa selbst viele Fortschritte auf Produktionsseite, sowohl was die traditionelle Art der Verschmutzung, als auch die Treibhausgasemissionen betrifft.
Über den grünen Klee loben will Deichmann die Europäer allerdings nicht. Bei genauerem Hinsehen zeige sich, so der Weltbank-Umweltspezialist, dass dieser Erfolg sich erst zweitrangig der grünen Politik verdanke. Vielmehr habe sich erwiesen, dass es die Unterschiede am Arbeitsmarkt zwischen Ostasien und Europa waren, die die Industrien mit den höchsten Emissionen einluden, ihre Produktionen nach Ostasien zu verlagern.
"Made in China"
Im Endeffekt läuft es derzeit so: Anstelle hier in Europa die Emissionen auszustoßen, kaufen wir hier die Produkte "Made in China". In China hergestellt, bedeutet naturgemäß auch, dass die Emissionen an den Produktionsstätten entstehen. Mit Deichmanns Worten: "Europa hat bei sich und seiner Produktion sehr schön aufgeräumt." Jetzt gelte es einen Schritt weiter zu gehen: "Jetzt muss auch Europas Konsum aufgeräumt werden."
Europa habe nun die Verantwortung, China und den anderen ostasiatischen Ländern zu helfen, ihre Produktion grüner zu machen, sagt Deichmann. Das hoch kontroversiell diskutierte Thema EU-Klimaschutzregeln für den Luftverkehr zeige aber, dass die Richtung stimme, so der Umweltexperte: "Das ist der erste Schritt, wo Europa versucht, andere Länder dafür zu gewinnen, dem Europäischen Emissions-System zu folgen." Im Prinzip könne man Vergleichbares auch für andere Produkte überlegen, schlägt Deichmann vor.
Seine Idee: Alle Konsumgüter, die aus China kämen, könnte man je nach C02-Emissionen besteuern. Der damit entstehende Steuerungseffekt würde beiden Seiten helfen. Einerseits würden solche Steuern die Menschen entmutigen, Produkte, die unter sehr umweltschädlichen Bedingungen entstehen, zu kaufen.
Emissionspolitik exportieren
Andererseits würden solche Abgaben China und andere asiatische Produzentenländer ermutigen, inländische Emissionsregeln zu erlassen. Die Weltbank habe ein entsprechend großes Programm in China, um dort beim Aufbau eines Emissionshandelssystems zu helfen. China sei an der Sache sehr interessiert, ist Deichmann überzeugt. Der Schluss: Europa soll versuchen, nicht nur seine schmutzige Produktion, sondern auch seine Emissionspolitik zu exportieren. (Regina Bruckner, derStandard.at, 19.3.2012)