Barbara Paulus im März 2012 in der Shopping City Süd.

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Die Niederösterreicherin Barbara Paulus 1997 beim Tennisturnier in Rom. Es war schön, es war heiß, die Tribünen waren fast leer und das Halbfinale hatte sie auch erreicht.

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Wien - Es gibt Menschen, denen niemals fad wird. Sie können stundenlang Löcher in die Luft starren, sind dabei glücklich, ausgeglichen, entspannt, sie zählen einfach nur die Löcher. Diese Spezies ist durchaus beneidenswert. Im Fall von Barbara Paulus könnte es aber auch daran liegen, dass sie keinen Fernseher besitzt. "Schade um die Zeit", sagt sie und malt ein Horrorszenario an die theoretische Wand der realen Shopping City Süd. "Fürchterlich, wenn du zwei Männer daheim hast, die dauernd vor der Glotze sitzen." Der eine wäre der dreijährige Sohn Maximilian, zu dem "leider alle Maxi sagen, dabei klingt Maximilian so schön". Der andere wäre Partner und Kindesvater Martin Doppler, ein Tischtennisspieler, der in der Akademie von Werner Schlager beschäftigt ist. Zu ihm sagen alle übrigens Martin, das passt, so steht es im Taufschein. Barbara Paulus hat sich an "Babsi" gewöhnt.

Da sie natürlich schon in dieser Welt lebt, genauer im Bezirk Mödling (" Da bin ich aufgewachsen, hier sind meine Wurzeln") legt sie Wert auf die Feststellung, "dass ich einen Computer habe, das Internet nutze". Und die Zeit, die Luft zu durchlöchern, haben andere. Dafür sorgt Maximilian. "Ich genieße mein Leben als Mama. Das kann, wie alle wissen, auch anstrengend sein."

Schon lange nicht mehr im Kino

Man sitzt an einem Vormittag in der nicht unbedingt schnuckeligen UCI-Kinowelt. Paulus hat sich bei diesem Treffpunkt etwas überlegt. "Gut für Maximilian, da ist er abgelenkt, kann sich beschäftigen. Ich überlasse nichts dem Zufall, plane alles, bin nicht risikofreudig." Kinosäle kennt sie nur von außen. "Keine Ahnung, wann ich den letzten Film gesehen habe."Die Tenniskarriere ist eigentlich gar nicht mehr wahr. "Je länger sie zurückliegt, desto schöner kommt sie mir vor. Man verklärt halt alles."

1998 hat sie aufgehört, 2001 hat sie noch ein Turnier bestritten. "Ich wollte den Beweis haben, dass wirklich Schluss ist."Sie konnte nicht mehr servieren, der Ellbogen streikte. Weitere Schwachstellen waren die Handgelenke, Paulus spielte jahrelang mit Manschetten. Trotzdem gewann sie sechs Turniere, zwei davon in Warschau, sie ist somit die erfolgreichste Österreicherin aller bisherigen Zeiten. Nummer zehn der Weltrangliste war sie auch, das hat sie ihrer beidhändig gespielten Rückhand zu verdanken. Vor der schreckten sich die Allerbesten. Die Allerbesten sind übrigens die Nettesten gewesen. "Eine Lindsay Davenport war so etwas von normal. Auch eine Steffi Graf. Es war faszinierend, direkt mitzubekommen, wie auf einmal die Williams-Schwestern aufgetaucht sind."

"Es war nicht unbedingt meine große Leidenschaft"

Barbara Paulus vermisst Tennis nicht. "Es war nicht unbedingt meine riesengroße Leidenschaft. Ich kannte ja nichts anderes, es war alternativlos. Und es hat gepasst. Ich habe meine Jugend sicher nicht verloren." Vielleicht hätte sie Innenarchitektur interessiert, die Matura hat sie in der Südstadt ja abgelegt. "Aber ich war auf den Sport fokussiert." Dass sie seit Jahren keinen Tennisschläger angreift, hat rein medizinische Gründe. "Nach ein paar Schlägen wären die Schmerzen zu groß, also lasse ich es sein." Hin und wider verspüre sie die Lust auf einen Wettkampf. "Deshalb habe ich in einer der untersten Ligen Tischtennis gespielt. Es hat Spaß gemacht."

Schaut sie auf den Sport ohne Tisch zurück, denkt sie an die Sonne. "An die Matches in der frischen Luft, es konnte nicht heiß genug sein." Am liebsten hat sie in Florida gearbeitet. "Je kleiner der Platz war, desto lieber war es mir. Am besten war ich, wenn praktisch keine Zuschauer da waren. Die großen Stadien mochte ich nicht. Da fühlte ich mich beobachtet. Vielleicht bin ich schüchtern."Dem Thomas Muster sei sie sehr dankbar gewesen. "Das öffentliche Interesse hat sich damals zu Recht auf ihn fokussiert. Das war angenehm, ich stand nie gerne im Rampenlicht."

Teures Tennis

Vielleicht wäre noch mehr möglich gewesen, vielleicht auch nicht. "Ich war nach Niederlagen nie extrem fertig und habe nach Siegen nie extrem gejubelt." Durch den Sport habe sie sich eine Basis geschaffen. Paulus hat 1,3 Millionen Dollar Preisgeld erwirtschaftet. Der Aufwand sei enorm gewesen. "Das letzte Jahr meiner Karriere hat 1,8 Millionen Schilling gekostet. Das Risiko ist groß. Ich habe den Luxus, mir die Zukunft genau überlegen zu können."Sollte Maximilian den Wunsch äußern, Spitzensportler zu werden ("Das sind kreative Menschen"), hätte die Mama prinzipiell nichts dagegen. "Formel 1 oder Motorrad müssen nicht sein. Eine Tenniskarriere wäre vermutlich zu teuer."

Ihr Papa hatte die Mittel. Vor zwei Jahren ist er nach langer Krankheit gestorben. "Darüber kommt man nie hinweg. Man lernt nur, damit umzugehen. Gott sei Dank war es ihm noch vergönnt, Maximilian kennenzulernen."Es ist Barbara Paulus echt unangenehm, nicht zu wissen, wer die aktuelle Nummer eins im Tennis ist. "Peinlich. Das ändert sich jede Woche." Man tröstet sie: "Gar nicht peinlich. Völlig wurscht." Maximilian quengelt. Irgendwann wird sie mit ihm ins Kino gehen. "Es gibt noch so viele Filme."(Christian Hackl, DER STANDARD, 19.3.2012)