Djerba/Wien - Der österreichische Künstler und Filmemacher Leo Tichat ist am 15. März im tunesischen Djerba im Alter von 82 Jahren gestorben, teilte der mit ihm befreundete Autor Gerhard Kunze mit. Tichat schrieb mit seinem ersten und einzigen Spielfilm "Die Verwundbaren" - eine jazziger, von der Nouvelle Vague inspirierter Geschichtenreigen um urbane Twens - ein Stück inoffizieller österreichische Kulturgeschichte. 1964/65 entstanden, lief er erst 1967 in einer gekappten Fassung als "Engel der Lust" im Kino - weil er einer der ersten heimischen Spielfilme war, die auch Homosexualität thematisierten. Vom Filmarchiv für ein Viennale-Special 2006 restauriert, ist er nun Teil der Hoanzl/Standard-Edition.
Ursprünglich war Leo Tichat Maler und Grafiker. Geboren 1930 in Mödling, studierte er an der Hochschule für Angewandte Kunst, wo er 1951 sein Diplom für Malerei, Grafik und Bühnenbild machte. Danach erlernte er das Tapeziererhandwerk und machte die Gesellenprüfung als Autosattler. Danach wurde er freischaffender Künstler, profilierte sich als Maler, Designer, Bühnen- und Kostümbildner, Filmemacher und Schriftsteller. 1975 erschien eine Auswahl seiner Lyrik und Prosa unter dem Titel "Sol fuerte y Sangre".
Ab 1951 arbeitete Tichat als Drehbuchautor u.a. bei mehreren Filmen seines Freundes Herbert Vesely (1931-2002) mit, gemeinsam hatte sie 1950 das Avantgardestudio "studio peripheri 50" gegründet. 1951 entstand "Und die Kinder spielen so gern Soldaten" (Co-Buch, Ausstattung, Darsteller), 1961/62 "Das Brot der frühen Jahre" (Buch nach dem Roman von Heinrich Böll, Ausstattung), 1978 fürs TV "Der kurze Brief zum langen Abschied" (Co-Buch nach Peter Handke, Ausstattung), 1979/80 "Egon Schiele - Exzesse" (Co-Buch, Ausstattung), 1978/88 "Plaza Réal" (Ausstattung). 1993 erfolgte seine letzte Filmarbeit, das Co-Drehbuch zu Carlo Quinterios krudem Horror-Thriller "Night Train to Venice" mit Hugh Grant und Malcolm McDowell. (APA, red, derstandard.at, 18.3.2012)