Darstellung eines Laserpulses, welcher in Wechselwirkung mit dem Spiegel mögliche Quantengravitationseffekte testet

Foto: Jonas Schmöle, VCQ, Universität Wien

Wien - Es gibt eine Grenze für die Anwendbarkeit der bekannten Gesetze der Physik: die sogenannte Planck-Skala mit extrem kleinen Entfernungen und hohen Energien. Deshalb entzieht sich diese Skala allen heute möglichen Experimenten. Quantenphysiker aus Wien und London haben nun aber ein Experiment vorgeschlagen, mit dem man einige Phänomene, die im Bereich der Planck-Skala auftreten sollten, überprüfen könnte. Ihre Idee, für Experimente zu manchen Theorien der Quantengravitation bewegliche Spiegel zu nutzen, wurde im Wissenschaftsmagazin "Nature Physics" veröffentlicht.

Seit Jahrzehnten wird nach einer Vereinigung der beiden großen physikalischen Theorien des 20. Jahrhunderts, der Quantentheorie und der allgemeinen Relativitätstheorie zu einer "Weltformel", der Quantengravitation, gesucht. Doch bisher haben sich die Physiker daran die Zähne ausgebissen. Denn während die Quantenmechanik Phänomene beschreibt, die sich auf Ebene einzelner Teilchen, Atome und Moleküle abspielen, beschreibt die allgemeine Relativitätstheorie vor allem Vorgänge im Zusammenhang mit großen Massen. Erwartet wird die Verschmelzung der beiden Theorien auf der sogenannten Planck-Skala.

Die Skala

Doch genau da wird es schwierig. Denn die Planck-Länge beträgt etwa 1,6 mal 10-35 Meter - zur Veranschaulichung: Wäre die Planck-Länge ein Meter, dann wäre ein Atom so groß wie das gesamte sichtbare Universum. Auch die Planck-Energie ist so hoch, dass selbst die Teilchen-Kollisionen im Large Hadron Collider am CERN in Genf wie ein unabsichtlicher Rempler und nicht wie ein Frontal-Crash wirken. Nur die Planck-Masse ist mit menschlichen Maßstäben nachvollziehbar: sie beträgt etwa 20 Mikrogramm. "Ein Staubkorn ist etwa so schwer. Aber für ein Atom ist ein solches Staubkorn spektakulär schwer, etwa so schwer, wie für einen Menschen der Mond. Üblicherweise nur im Größenbereich von Atomen zu beobachtende Quanteneffekte sind bei solchen Massen nicht zu sehen", so Igor Pikovski von der Gruppe Quantenoptik, Quantennanophysik und Quanteninformation der Universität Wien.

Doch schon länger versuchen Physiker, die seltsam anmutenden Effekte der Quantenphysik auch an größeren Objekten nachzuweisen. Besonders erfolgreich ist hier das Team um den Physiker Markus Aspelmeyer, das das Ziel verfolgt, Quanteneffekte an mechanischen schwingenden Spiegeln aus Silizium zu beobachten. Diese Spiegel sind gerade noch mit freiem Auge erkennbar - also winzig für herkömmliche Maßstäbe, aber riesig in der Welt der Quanten.

Quanteneigenschaften von Spiegeln auslesen

Die Forschungsgruppen um Pikovski, Časlav Brukner und Aspelmeyer in Wien sowie Myungshik Kim in London wollen nun mit Hilfe von Laserpulsen Quanteneigenschaften von winzigen Spiegeln untersuchen. Der Laser versetzt den Spiegel in Schwingungen - vor und zurück, ähnlich wie in der uns vertrauten Welt ein Ball zwischen zwei Spielern hin- und hergeworfen wird. Während aber der Ball immer die gleichen Eigenschaften hat, ändert ein in einem Quantenzustand befindlicher Spiegel seine Welleneigenschaft ("Phase"), je nachdem ob er zuerst vor oder zuerst zurück schwingt. Und diese Unterschiede sollten sich mit Hilfe des reflektierten Laserstrahls auslesen lassen.

Mit Atomen seien solche Experimente schon gemacht worden, und auch die vorhergesagten Unterschiede gemessen worden, so Pikovski. Weil sich aber dieser Unterschied laut Quantengravitation abhängig von der Masse ändern sollte, könnten bei den vergleichsweise massereichen Spiegeln andere Ergebnisse herauskommen als bei den Atomen. "Jede solche Abweichung wäre sehr spannend", so Pikovski, "und selbst wenn man keine Abweichung misst, erhält man eine Einschränkung für mögliche neue Theorien". Vor allem zeigen die Wissenschafter aber, dass es möglich ist, einige Vorhersagen der noch unerforschten Quantengravitation direkt im Labor zu testen. (APA/red, derStandard.at, 19.3.2012)