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Eine eher unmögliche Liebe: Mari Eriksmoen (als automatenhafte Olympia) und Kurt Streit (als Hoffmann).

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Wien - Es kommt praktisch nie vor, dass sich ein ohnedies schon an unhöflicher Indifferenz entlang plätschernder Applaus beim Erscheinen des Regisseurs benimmt, als wäre gar niemand auf der Bühne erschienen. Also ungerührt bleibt, um sich dann aus Erschöpfung noch ein wenig abzuschwächen. William Friedkin wurde also nicht nur nicht ausgebuht, er wurde quasi nicht einmal ignoriert. Es wäre natürlich nicht Oper, hätten sich schließlich nicht manche doch noch zu winzigen Protesturlauten herabgelassen - allein, die dominante Ignoranz war so deutlich wie stimmig:

Weder war die Arbeit des renommierten Filmregisseurs (u. a. French Connection und Der Exorzist) exorbitante Aufregung wert, noch konnte es ausbleiben, dass diese längliche Fassung von Jacques Offenbachs Hoffmanns Erzählungen - in dieser trivialen Regievariante - die Kondition des Betrachters überstrapaziert. Zumal es auch im orchestralen Bereich nichts gab, woran man sich gewinnbringend festhalten hätte können: Dirigent Riccardo Frizza spulte das kostbare Material mit den Wiener Symphonikern ausschließlich wacker ab, ohne mit irgendeiner Art belebendem Impuls aufwarten zu können. Wer in der zweite Reihe rechts saß, also leider sehr nahe am Schlagwerk, konnte sich die Zeit natürlich mit dem Ärger über zweifelhafte Vorzüge seiner den Musikeindruck verfälschenden Hörposition vertreiben. Auch dies war jedoch letztlich weder abendfüllend noch der eigentliche Sinn der Übung.

Erlahmende Regiekräfte

Schrecklich lähmend das Ganze also, wobei es doch gar nicht so armselig begann: Friedkin modelliert aus Hoffmanns Gegenspieler Lindorf (stimmlich durchaus ansehnlich, szenisch jedoch mit stummfilmartigem Hang zum Outrieren: Aris Argiris) quasi ein dämonisch-böses Alter Ego des fantasierenden, verhängnisvolle Frustrationsaffären eingehenden Dichters. Er entwirft somit eine Art "Jekyll & Hyde"-Konstellation, die inklusive der Vorkommnisse um die automatenhafte Angebetete (Mari Eriksmoen ist als Olympia der einzige wirkliche Glanzpunkt des Abends) durchaus funktionieren könnte.

Wie die Opernzeit jedoch immer langsamer voranzuschreiten geruhte, schmolz das bisschen an Ideen zu einer quälenden Fahrt durch eine Ästhetik, die man in einer Grottenbahn des ehrenwerten Wiener Wurstelpraters kredenzt bekommt, ohne allerdings diesen hohen Ausdauerpreis zahlen zu müssen. Entlang der fantasieprallen Geschichte erlahmten hier also die Regiekräfte und erwirkten bisweilen nur unfreiwillig komische Gruseleffekte.

Es mag dabei noch nachvollziehbar sein, dass die singende Olympia zur optischen Reizsteigerung mit einer Riesenpuppe gedoppelt wurde (Bühnenbild: Michael Curry), wie auch das bisschen Puppenspiel an jener Stelle, da Hoffmann seine Ballade über den garstigen Kleinzack schmettert, sympathisch wirkte.

Doch schon beim zweiten Verehrungsobjekt Hoffmanns, jener Antonia (solide Juanita Lascarro), für die das Singen Todesnähe bedeutet, war etwa die Versinnbildlichung ihrer verblichenen Mutter durch eine im Bett ruhende und von der Tochter zu umarmende Leiche ein Ausflug ins putzige Kindertheater, das in einem Regiehaus von Rang eigentlich nichts verloren hat.

Der Vollständigkeit halber: Vordergründig, platt auch die Vorgänge um Giulietta (klangschön Angel Blue); und auch nicht gerade den Stadttheateralltag Überragendes beim finalen Hinführen Hoffmanns (profund in der Darstellung, etwas viel Anstrengung im Vokalen, aber letztlich passabel: Kurt Streit) in die Sphäre des Dichtens, das die Muse vorantrieb (solide Roxana Constantinescu). In Summe somit ein ziemlicher Opernbauchfleck. (Ljubiša Tošić, DER STANDARD, 21.3.2012)