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17.06.1953: Ost-Berliner, die mit wehenden Fahnen vom Ost-Sektor aus durch das Brandenburger Tor marschieren.

Foto: apa/dpa

Die Schüsse und Schreie hat Peter Bruhn auch nach 50 Jahren nicht vergessen. "Wir hatten die Hoffnung, dass alles besser wird", beschreibt der heute 76-Jährige die Stimmung, als am 17. Juni 1953 Tausende Menschen von der Stalinallee aus vor das Haus der Ministerien - dem heutigen Sitz des Finanzministeriums - in Ostberlin zogen.

Was als so genannter Arbeiteraufstand mit Protesten gegen eine Erhöhung der Arbeitsnormen in Ostberlin begann, entwickelte sich binnen Stunden an 700 Orten der DDR zu einer Volksbewegung mit mehr als einer Million Menschen. Forderungen nach freien Wahlen wurden laut, mehr als 250 öffentliche Gebäude gestürmt.

Da die DDR-Regierung unter Walter Ulbricht wie gelähmt schien, schritten die Sowjets ein, denn dieser Aufstand war die erste Volkserhebung im kommunistischen Machtbereich. "Die Russen haben die Straßen mit ihren nebeneinander fahrenden Panzern regelrecht leergeräumt", erinnert sich Bruhn. Viele warfen Steine, um die Panzer zu stoppen. Mindestens 125 Menschen kamen um, 1600 wurden zu teilweise hohen Haftstrafen verurteilt, zwei Todesurteile vollstreckt. Der damals 26-jährige Bruhn floh nach Westberlin.

50 Jahre danach gibt es heftige Debatten, wie mit diesem Datum umgegangen werden soll. Opfer der Diktatur der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) haben sich gegen die Beteiligung der PDS am offiziellen Gedenken gewandt und den Boykott der bundesweit rund 500 Veranstaltungen angedroht. Die Vertreter der SED-Nachfolgepartei wollen aber daran teilnehmen und begründen dies, dass sie damit ihre historische Verantwortung zeigen wollten.

Anders als in Ungarn und Tschechien, wo an die Aufstände von 1956 bzw. 1968 selbstbewusst erinnert wird, haben die Deutschen seit jeher ein Problem mit diesem Datum. In der alten Bundesrepublik wurde der 17. Juni sehr bald zu einem Feiertag erklärt, dann aber gestrichen. In der DDR wurde die Erinnerung an den Aufstand ohnehin totgeschwiegen.

Aus Anlass des Jahrestages fordern vor allem westdeutsche Politiker einen Gedenktag. Ehemalige DDR-Bürgerrechtler wie die nunmehrige Chefin der Stasi-Aufarbeitungsbehörde, Marianne Birthler, verweisen darauf, dass zu Unrecht nur an die durch Massenproteste erzwungene Wende 1989 gedacht wird. Für den renommierten Historiker Hans Mommsen ist der Aufstand 1953 in einer Reihe mit den großen deutschen Revolutionen von 1848/49 und 1989 zu sehen.

Wie eine Umfrage zeigt, sind nur 52 Prozent der Deutschen über die Geschehnisse des 17. Juni informiert. Dem überwiegenden Teil ist dieses Datum "egal", auch einer Mehrheit in Ostdeutschland.(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17 .6. 2003)