Atomkraftwerke in Europa.

grafik: der standard

Wien – Die EU plant im Zuge der Aufstockung der Mittel für Euratom eine Aufrüstung der russischen Atomindustrie. Über den Euratom-Vertrag werden geförderte Kredite für die Atomindustrie vergeben; er soll in der EU-Verfassung verankert werden.

Geht es nach den Plänen der Kommission, wird die neue Euratom-Richtlinie am 25. Juni auf Botschafterebene abgesegnet. Offiziell steht im Kompromisspapiers der griechischen Präsidentschaft nur die Mittelvergabe an existierende Nuklearanlagen, aber im geheimen "Non-Paper" sind auch Gelder für den seit fast 20 Jahren wegen Geldmangel stockenden Bau von sechs russischen Schrottreaktoren vorgesehen.

"Im Widerspruch zur EU-Linie"

Man verhandle über die Verfügungsstellung von Euratomkrediten, heißt es ganz offen. Vier der Projekte in Russland sind nach der Atomkatastrophe in Tschernobyl vor 17 Jahren begonnen worden und entsprechen überhaupt nicht den westlichen Sicherheitsstandards. "Die Diskussion um die Fertigstellung eines Tschernobyl-Reaktors ist nicht nur skandalös, sondern steht auch im Widerspruch zur bisherigen Linie der EU", kritisiert die grüne Umweltsprecherin Eva Glawischnig.

So sei der auf der Liste enthaltene Reaktor Kursk 5 – seit 1985 in Bau – kerntechnisch das gleiche Modell wie jener im litauischen Ignalina, dessen Stilllegung Brüssel nach zähen Verhandlungen und Zusagen von beträchtlichen Finanzhilfen bis zum Jahr 2009 durchgesetzt hat. Begründung: Dieser Reakor (der Tschernobyl-Typ RBMK) ist nicht mehr nachrüstbar. Der geplante Fertigbau des Schrottreaktors Kursk 5 widerlege die Behauptungen der Kommission, Euratom-Gelder würden nur in für die Sicherheit und die Nachrüstung bestehender Nuklearanlagen im Osten fließen, so die Grünen. Geld soll es nämlich auch für drei weitere in Bau befindliche Reaktoren (zwei in der Ukraine und einer in Rumänien) geben.

Finanzspritze für die Atomindustrie

Zusammen ein Kreditvolumen von über einer Mrd. Euro, rund 680 Mio. Euro für die Ukraine und 350 Mio. Euro für Rumänien. Glawischnig spricht von einer Finanzspritze für die Atomindustrie. Ihre These, mit Projekten im Osten wolle man der Branche, die im Westen mit einer Auftragsflaute konfrontiert ist, unter die Arme greifen, belegen zumindest die Zahlen über die Kreditvergabe. Zwischen 1988 und 1998 wurde über Euratom kein einziger Euro vergeben, 1999 und 2000 dann die runde Milliarde für die Ukraine und Rumänien, steht im Kommissionspapier. Es sieht auch eine Aufstockung der Kreditlinien von vier auf fünf Mrd. Euro vor.

Der österreichische Anteil an der Erhöhung der Euratom-Mittel beträgt rund 30 Mio. Euro, das entspricht jener Summe, die 2004 im heimischen Budget für den Klimaschutz vorgesehen sind. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 16.6.2003)