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"Weniger opulent als beim ersten Mal" ist er ausgefallen, der "Baukulturreport" - das sagte Staatssekretär Josef Ostermayer bei der Präsentation am Mittwoch, und er hat zweifellos Recht: 2006 waren es noch 500 Seiten, auf denen die heimische Raumordnungs-, Bau- und Architekturpolitik beschrieben und Empfehlungen dazu abgegeben wurden. Unter anderem wurde schon damals postuliert, dass die Architekturvermittlung im Bildungssystem verbessert werden müsse.

"Lernen in den Schulen nichts über Baukultur"

Auch in der aktuellen Ausgabe des Baukulturreports, die mit 160 Seiten wesentlich schlanker ausgefallen ist (Download siehe unten), ist das wieder ein Thema. Mehr als 90 Prozent ihrer Lebenszeit verbringen die Österreicherinnen und Österreicher in Räumen, "trotzdem lernen wir in den Schulen nichts darüber", sagte die Architektin Renate Hammer vom Autorenteam des Baukulturreports 2011. Dabei gehe es nicht darum, in den Schulen "Mini-Architekten" auszubilden, sondern "einfach nur darum, dass die Menschen wissen, was sie wollen". Schließlich würden die Menschen einen Großteil ihres Lebenseinkommens für Dinge ausgeben, die in irgend einer Form mit Raumnutzung zu tun haben: Miete, Kauf von Eigentum, Einrichtung, Betriebskosten oder auch Mobilitätskosten, die oft wesentlich mit der gewählten Wohnform zusammenhängen.

Erste Pilotprojekte zur Architekturvermittlung gibt es an österreichischen Schulen mittlerweile, beispielsweise am Wirtschaftskundlichen Bundesrealgymnasium Salzburg oder dem Gymnasium Traun (OÖ). Die knappen Ressourcen dafür fließen allerdings fast ausschließlich in die Durchführung von Projekten; "Mittel für den theoretischen Diskurs, die wissenschaftliche Weiterentwicklung, den Sammlungsaufbau von Projekten und die Erstellung von Unterrichtsmaterialien sind nicht vorhanden und damit ist keine Nachhaltigkeit gewährleisten", kritisieren die Autoren. Wesentlich sei auch die einschlägige Aus- und Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer, und auch die Schulgebäude selbst sollten der Vermittlung von Baukultur dienen.

"Zukunftsfähig, bürgernah"

Und zwar einer "zukunftsfähigen" Baukultur, die auch außerhalb der Schulen noch schmerzlich vermisst wird - etwa wenn es um die nach wie vor beliebteste Wohnform der Österreicherinnen und Österreicher geht, das freistehende Einfamilienhaus. Hier müsse sich "Grundlegendes ändern", forderte Hammer, und zwar "nicht mit dem Ziel, jemandem etwas wegzunehmen, sondern Alternativen anzubieten". Die Raumordnungskompetenz der Gemeinden sei gefragt, die zunehmend an die Grenzen ihres (Flächen-)Wachstums stoßen. Die Autoren des Baukulturreports regen eine gemeinsame Anstrengung aller Verwaltungsebenen an, um den Gemeinden neue Handlungsspielräume zu geben.

Weil Baukultur "auch eine Frage engagierter Personen" sei, müsse der Fokus auch auf mehr Bürgernähe gelegt werden. Mehr Bauberatung auf Gemeindeebene, die Erstellung von Leitbildern für die räumliche Entwicklung gemeinsam mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern, mehr baukulturelle Themen in den Weiterbildungskursen der Verwaltungsakademien, so lauten hier ein paar der Vorschläge.

"Zeitkritische Emissionsreduktion"

Ein dritter Schwerpunkt des Baukulturreports liegt auf dem Thema Energieeffizienz. Die Einfamilienhäuser, die in Österreich zwischen 1945 und 1970 errichtet wurden, sind für ein Viertel der Emissionen verantwortlich, weisen aber nur 16 Prozent der Flächen auf. "Wieviele dieser Häuser sind es wert, nicht saniert zu werden?", fragte Hammer. Umfassende Sanierungen müssten hier stattfinden, "die Emissionsreduktion tut Not und ist zeitkritisch", pochte sie auf rasche Umsetzung.

Der Baukulturreport widmet sich auf knapp 50 Seiten detailliert diesem Thema, indem etwa auf den Zusammenhang zwischen Besiedlungsdichte und dem motorisierten Individualverkehr eingegangen wird oder die spezifischen CO2-Emissionsfaktoren der unterschiedlichen Gebäudetypen dargestellt werden. "Auch bei architektonisch wertvollen Gebäuden können Maßnahmenpakete an oberster Geschoßdecke, Kellerdecke und Haustechnik den Endenergiebedarf für Heizung und Warmwasser um 50 Prozent senken", erklärte Architektin Hammer. Dieser denkmalgeschützte Altbestand in den Innenstädten sei allerdings ohnehin nur für zwei Prozent aller Emissionen verantwortlich.

45 Empfehlungen

Insgesamt spricht der Report 45 Empfehlungen aus. "Lebenszykluskosten statt Baukosten" gehört da genauso dazu wie "großvolumige Gebäude optimieren" und "Innovation als Vergabekriterium". Josef Ostermayer fühlte sich davon wenig angesprochen: Es gebe hier eben nun mal eine recht "zersplitterte Kompetenzlage, was die Gesetzgebung betrifft", man werde aber dafür sorgen, dass die Impulse "weitergetragen werden", und man könne "schauen, dass die Vorschläge auch umgesetzt werden", sagte der Staatssekretär am Mittwoch.

Für Bettina Götz, die Vorsitzende des "Beirats für Baukultur", der als "direktes Ergebnis des ersten Reports" entstanden ist,  geht es um die "Verbesserung unserer Lebensbedingungen". Das aus über 30 Expertinnen und Experten bestehende Gremium, dem unter anderen auch der Raumplaner Reinhard Seiß, AzW-Direktor Dietmar Steiner sowie der Präsident der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten, Georg Pendl, angehören, befasst sich dreimal im Jahr mit den dringendsten Fragen. (Martin Putschögl, derStandard.at, 21.3.2012)