Zürich - Dass Gletscher die Alpentäler geformt haben, ist seit mehr als einem Jahrhundert bekannt. Vor allem die Geschwindigkeit, mit der sich das Eis über den Fels bewegt, und weniger die Masse des Eises selbst bestimmen die Stärke der Erosion, wie der Schweizerische Nationalfonds (SNF) erläutert. Zur Formung übertiefter Täler wie dem Rhonetal oder den Fjorden in Norwegen gab es jedoch noch offene Fragen, für die Geologen der ETH Zürich nun eine Erklärung gefunden haben: Sie schreiben dem Schmelzwasser unter dem Gletscher eine zentrale Rolle zu.

Lange Zeit vermuteten die Forscher, dass Gletscher den Untergrund dort am effektivsten bearbeiten, wo die höher gelegene Wachstumszone - wo der Gletscher durch fallenden Schnee wächst - an die tiefer gelegene Abtragungszone grenzt. Dort schrumpft der Gletscher, weil mehr Schnee schmilzt als neuer dazukommt."Dieses Modell dient jedoch nicht als Erklärung für die übertieften Täler wie beispielsweise das Rhonetal oder die Fjorde in Norwegen", wird der Geologe Frederic Herman von der ETH Zürich zitiert. Denn gemäß diesem Modell hätte das Becken des Genfersees keine Tiefe von 300 Metern unter dem Meeresspiegel.

Die Forscher haben nun ein neues Modell entwickelt und in der Zeitschrift "Earth an Planetary Science Letters" publiziert. Die entscheidende Rolle spielt Schmelzwasser, das unter dem Eis durchsickert. Es trage dazu bei, dass sich die Eismassen schneller bewegten und das Gestein effektiver abtragen könnten, sagt Herman. Am stärksten ist das Phänomen dort, wo das Schmelzwasser zwischen Gletscher und Fels sozusagen eingeklemmt wird. Dadurch ist der Druck auf das Wasser sehr hoch. Die Bedingungen für das Wasser unter Gletschern seien bei bisherigen Erosionsmodellen nicht berücksichtigt worden, sagt Herman. "Wasser aber ist ein ausschlaggebender Faktor." (APA/red, derstandard.at, 25.3.2012)